Im Schatten der Leidenschaft
kennenzulernen. Ich werde ihr vorschlagen, Sie einmal zu besuchen ... in der Mount Street, oder?« Er sah Hugo fragend an.
Hugo bestätigte seine Annahme und vermutete, daß Chloe mit dieser unerwarteten Begegnung scheinbar doch Glück gehabt hatte. Wenn die Marquise von Carrington sich für Chloe interessierte, würde ihre Aufnahme in die ersten Kreise der Gesellschaft gesichert sein. Dennoch war er sich auch darüber im klaren, daß ihre Einmischung in ein Straßengetümmel dieser Art auch den gegenteiligen Effekt hätte haben können. Wenn Marcus Devlin abgestoßen gewesen wäre durch ein solch unglaubliches Verhalten einer Debütantin, wäre sie vielleicht sogar von den härtesten Glücksjägern auf dem Heiratsmarkt gemieden worden.
Marcus stieg in seinen inzwischen wartenden Wagen und fuhr nach Hause zum Berkeley Square. Seine Frau war im Kinderzimmer.
»Ich bin gerade dem hübschesten kleinen Wildfang begegnet«, sagte er. »Wenn auch nicht ganz so hübsch wie meine Emma.« Mit einem weichen Lächeln bückte er sich und hob seine Tochter hoch, die sich an seine Knie klammerte. Er schwang das Kleinkind in die Luft, und sie quietschte entzückt und griff mit einer Hand voller Grübchen nach seiner Nase.
Judith Devlin lehnte sich in ihrem Sessel zurück, den neugeborenen Sohn auf den Armen, und sah ihrem Mann lächelnd zu. Marcus war ein hingebungsvoller Vater.
»Und?« fragte sie, als er aufgehört hatte, mit seiner Tochter zu spielen, und sie sich auf den Schoß setzte. »Was war das für eine Begegnung?«
Marcus beugte sich herab, um seinen Sohn zu betrachten, der friedlich auf dem Arm seiner Mutter lag und am Daumen lutschte. »Edmund sieht aus, als wäre er seit gestern gewachsen.«
»Unsinn«, sagte Judith mit einem nachgiebigen Lachen. »Er ist heute morgen immer noch so groß wie gestern abend.« Sie hob ihr Gesicht, damit ihr Mann sie küssen konnte. »Also, willst du es mir erzählen oder nicht?«
»Ach ja. Ich habe mich selten so gut amüsiert.« Er beschrieb die Rettung des Bären, und wie er erwartet hatte, erschien das Vergnügen sofort auch in den Augen seiner Frau. Es war eine Geschichte für einen unkonventionellen Geschmack, und den hatte Judith immer schon gehabt.
»Hugo Lattimer und ich sind zur gleichen Zeit in die Gesellschaft gekommen«, sagte er und stellte seine wuselnde Tochter auf den Boden. »Doch er war damals Teil einer ziemlich wilden Clique ... oh, das ist aber ein schönes Haus, Emma.« Er nahm das Stück Papier, das sie ihm entgegenstreckte.
»Das is’ Mama.« Sie deutete auf ein Strichmännchen. »Mit dei’m ’Ferd.«
»Ganz wie im Leben«, sagte er ernst und verglich kritisch seine Frau mit dem Bild. »Also ich habe auf jeden Fall gesagt, du würdest das Mädchen ’mal besuchen, Liebes. Sie muß Stephen Greshams Tochter sein. Lattimer hatte damals viel mit ihm zu tun.« Er verzog das Gesicht. »Die Greshams sind ein übler Haufen, wenn die Gerüchte stimmen, aber man kann sich kaum vorstellen, daß das einen Einfluß auf ein so hübsches Wesen gehabt haben kann. Sie kam mir auch ganz ungekünstelt vor.«
»Sie entspricht doch im Alter eher Harriet«, sagte Judith. Ihre Schwägerin war fünf Jahre jünger als sie.
Marcus schüttelte den Kopf. »Das stimmt schon, aber du weißt genauso gut wie ich, meine Liebste, daß unkonventionelle Dinge nicht Harriets Geschmack entsprechen. Sie könnte mit Miss Gresham nicht das geringste anfangen.«
Judith lachte kurz. »Nein, da hast du recht. Außerdem hat Sebastian mir erzählt, daß sie wieder in guter Hoffnung ist. Die Arme leidet dann immer so unter Übelkeit, ich weiß gar nicht, warum sie immer noch mehr Kinder bekommt.«
»Weil es zu ihnen paßt«, sagte Marcus. »Dein Bruder ist sogar noch vernarrter in seine Kinder als ich.«
»Ja, und er verzieht sie völlig. Und Harriet kann einfach nicht nein sagen. Der kleine Charles hat gestern hier ein wahres Chaos angerichtet, und was den kleinen Peter betrifft...«
»Nun, du bist doch die einzige Person, auf die Sebastian hört, einschließlich seiner eigenen Frau«, stellte Marcus absolut wahrheitsgemäß fest.
»Ich hab’s ihm schon gesagt«, meinte sie. »Er hört eben nicht auf mich. Ich nehme an, er will ihnen all die Dinge geben, die er selbst nie hatte. Eine Kindheit, die ihn im Gefolge eines verarmten Spielers durch alle Hauptstädte Europas geführt hat, hat eben doch einiges vermissen lassen.«
»Ihr habt eigentlich beide keinen großen Schaden
Weitere Kostenlose Bücher