Im Schatten der Leidenschaft
nachdrücklich vor Dantes Nase.
»Herrgott im Himmel«, murmelte Samuel. »Was hat sie jetzt wieder vor?«
In ihrem Zimmer zog Chloe sich hastig ihr Reitkostüm an. Sie eilte die Treppen hinunter und wartete in der Halle, bis sie Hugo aus dem Hof reiten hörte. Dann rannte sie zum Stall. »Billy, hilf mir, die Stute zu satteln.«
Der Stalljunge zuckte die Schultern, bequemte sich aber doch, ihr in aller Ruhe zu helfen. »Sag’ Samuel, daß ich mit Sir Hugo geritten bin«, wies sie ihn an. »Jetzt sofort, Billy.«
Sie wartete gerade so lange, bis der Bursche verschwunden war, dann trabte sie die Auffahrt hinunter. Wenn Samuel wußte, daß sie bei Sir Hugo war, würde er sich keine Sorgen machen.
Auf der Straße wandte sie sich in Richtung Shipton und ließ die Stute galoppieren. Hugo hatte vielleicht zehn Minuten Vorsprung, und er ritt sicher nicht besonders schnell. Sie würde ihn bestimmt bald einholen.
Hugo hörte das Hufgeklapper hinter sich und achtete zuerst nicht weiter darauf. Erst als sie schon fast neben ihm war, sah er kurz über seine Schulter.
Chloe strahlte ihn an und ließ ihr Pferd neben dem seinen gehen. »Ich dachte, du hättest vielleicht Lust auf etwas Gesellschaft.«
»Was dachtest du?« Er war für einen Augenblick völlig konsterniert.
»Ich dachte, es würde dir sicher leid tun, daß du allein geritten bist«, sagte sie immer noch strahlend. »Und dann würdest du hier so einsam daherreiten und hättest niemanden, mit dem du dich unterhalten könntest. Und da es mir überhaupt nichts ausmacht, dir Gesellschaft zu leisten, bin ich einfach nachgekommen.«
Die Dreistigkeit dieser kunstlosen Erklärung machte ihn für einen Augenblick sprachlos. Chloe plapperte immer weiter, erzählte etwas darüber, wie schön warm der Morgen sei, wie grün die Hecken, und wie flink ein Eichhörnchen.
»Ruhe!« forderte er, als er sich schließlich wieder gesammelt hatte. »Sie haben ein sehr kurzes Gedächtnis, Miss Gresham. Ich habe ihnen doch erst gestern gesagt, daß ich keinen Ungehorsam dulde.«
»Oh, aber ich bin doch gar nicht ungehorsam«, sagte sie ernsthaft. »Ich habe sogar ganz sorgfältig darauf geachtet, dich nicht zu fragen, ob ich dich begleiten darf, also hast du mir nicht gesagt, daß ich nicht darf. Wenn du dich daran erinnerst, wirst du wissen, daß ich nur gefragt habe, ob du die Absicht hättest, allein zu reiten.«
Hugo schloß kurz die Augen. Was für ein hinterlistiges kleines Biest!
»Und dann, wie gesagt, kam mir der Gedanke, daß niemand an einem so schönen Morgen wirklich den Wunsch haben könnte, allein zu sein. Und falls es dir leid tun sollte, dann-«
»Ich habe dich auch beim ersten Mal verstanden«, sagte er knapp. »Und da fand ich es auch nicht überzeugender als jetzt.«
»Wenn du aufgehört hast, dich zu ärgern, wirst du feststellen, wie viel vergnüglicher es ist, wenn ich dir Gesellschaft leiste«, sagte sie im Brustton der Überzeugung und immer noch lächelnd. »Und Jasper und Crispin können mir auch nichts tun, wenn du dabei bist, um mich zu beschützen. Und ich weiß genau, wie wir uns zu verhalten haben. Das wird bestimmt ein Spaß. Wir werden so tun, als wenn gestern nichts gewesen wäre ... und als hätten wir auch keinerlei Verdacht. Wir werden nur sagen, daß wir gekommen sind, um Maid Marion zu kaufen, und ich werde sagen, daß Crispin sicher gern erfahren möchte, wie Plato -«
»Plato?« Sie hatte es geschafft, ihn vom eigentlichen Gesprächsthema abzulenken.
»Die Eule«, sagte sie ungeduldig. »Ich bin sicher, daß Crispin sich freuen wird zu hören, wie gut es ihm geht. Oder zumindest werde ich ihm das so sagen. Eigentlich bin ich sicher, daß es ihm schnurzpiepegal ist.«
»Du bist sicher, daß es was ist?« Erschien von einem Zornausbruch in den nächsten zu fallen.
»Ihm schnurzpiepegal ist.«
»So etwas habe ich auch gehört. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Damen Trent dir eine solche Sprache beigebracht haben.«
»Natürlich nicht«, sagte sie fröhlich. »Vermutlich habe ich das eher beim Mietstall gelernt, wo ich immer war.«
»Dann sei so gut und vergiß es sofort wieder.«
»Oh, sei doch nicht so förmlich. Du selbst sagst es doch auch dauernd.«
»Du wirst es nicht tun.«
»Aha.« Bei dieser Bemerkung rümpfte sie die Nase, dann zuckte sie die Schultern und sagte gleichmütig: »Na gut, wenn du es nicht wünscht. Aber was hältst du von meinem Plan mit Jasper und Crispin? Ich kann es kaum erwarten, Jaspers
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