Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
das ich mich übergeben konnte. Aber weißt du, ich bin daheim so in Verruf geraten, dass ich ein Warnschild tragen sollte. Ich hatte völlig vergessen, dass wir so ein paar Lackaffen aus der Stadt zum Abendessen da haben würden, die wir um einen Job für Jim anschleimen wollten.«
» Oh je.«
» Ich hatte so einen Kater, dass ich mich sogar übergeben habe.«
» Doch hoffentlich nicht bei Tisch?«, fragt Stan.
Sie lacht.
» Wir machen schon noch einen Profi aus dir, meine Kleine.«
» Trotzdem«, sagt sie, » glaube ich nicht, dass du ihn Ripper nennen kannst, er schlitzt die Frauen schließlich nicht auf. Doch wohl eher Würger.«
Sein Gesicht nimmt einen nachdenklichen Ausdruck an. » Der Whitmouth-Würger. Hört sich irgendwie komisch an, oder?«
» Der Strand-Würger?«
» Hübsch. Gefällt mir. Ich hab auf meinem Bett was gefunden, das nach getrocknetem Rotz aussah. War der Nachtruhe nicht gerade förderlich.«
» Wanzen gibt’s weltweit, weißt du.«
» Um Himmels willen! Ich schaff mir dieses Wohnmobil an. Wie es aussieht, komm ich sowieso nicht mehr heim.«
» Dann könntest du jeden Tag ans Meer fahren«, sagt sie.
» Ah, wär das nicht herrlich? Ich muss sagen, ich genieße dieses kleine Intermezzo.«
» Ich auch«, sagt sie. » Es ist wie im Urlaub. Fährst du Achterbahn?«
» Lass ich mir auf gar keinen Fall entgehen. Und du?«
» Fühl mich immer noch ein bisschen ramponiert«, sagt sie. » Ich lasse es wohl lieber bleiben.«
» Amateur«, sagt Stan kopfschüttelnd. » Was macht dein Artikel?«
Kirsty zuckt die Achseln. » Ach, du weißt schon. Man buddelt aus, was immer der Redakteur haben will. Jack ist hinter so Dritter-Vorhof-der-Hölle-Zeug her. Also kriegt er das auch.«
» Genau deshalb bin ich zur Presse gegangen«, sagt Stan. » Wegen des unermüdlichen Strebens nach Ausgewogenheit. Jack findet es toll, sich über Proleten lustig zu machen, stimmt’s?«
» Das ist ein bisschen hart. Hast du gelesen, was der Guardian geschrieben hat?«
» Na ja, so ist der Guardian. Entweder machen sie’s so, oder sie müssen einen Grund finden, es Israel in die Schuhe zu schieben«, sagt er. » Und wie war die Pressekonferenz?«
» O Gott– ich war gar nicht da. Ich hab irgendwie angenommen, du würdest gehen.«
» Aha. Na gut. AP wird’s ja in jedem Fall bringen. Bist du heut Abend daheim?«
Sie nickt. » Sofern er nicht die Schlösser ausgewechselt hat. Sowie ich hier fertig bin, bin ich auf der Autobahn. Kann’s echt kaum erwarten.«
Sie erhascht einen Blick auf die Miene der Frau hinter sich– ein typisch britischer Snob, der sofort entsprechenden Verdacht schöpft– und fügt mit lauterer Stimme hinzu: » Ich hasse diese Übernachtungen!« Dabei sieht sie der Frau in die Augen. » Egal wo. Ich vermisse einfach meine Familie so sehr, verstehst du?«
Stan nickt. » Ja. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich auch noch eine zum Vermissen hatte.«
Jim ruft genau in dem Moment an, als die Tore von Funnland sich öffnen.
» Hallo«, sagt sie. » Wie geht’s dir?«
» Wichtiger noch, wie geht’s dir?«, fragt er. » Du hast nicht Tschüss gesagt, bevor du gegangen bist.«
» Hm«, sagt sie, » ich war mir nicht ganz sicher, ob dir das recht gewesen wäre.«
» Tja«, sagt Jim. » Du bist ein Arsch, dass du’s weißt.«
Eine Welle der Erleichterung überkommt sie. Wenn er wieder anfängt, sie zu beleidigen, heißt das, dass er über den Berg ist. » Angenommen und kapiert«, sagt sie.
» Heb dir das für den Scheidungsrichter auf«, sagt er. » Kommst du heut noch nach Hause?«
» Vertrau mir«, sagt sie, » ich hatte lediglich eineinhalb Flaschen Chardonnay. Ich kann die Strecke blind fahren.«
Sie lachen. Die Schlange rückt näher ans Tor heran, und sie klemmt sich das Handy unters Kinn, um nach ihrem Geldbeutel zu suchen. Der widerliche junge Wachmann ist ebenfalls vorgerückt und steht jetzt neben der Telefonzelle. Er grinst die Menschen an, die an ihm vorbeigehen, als kenne er das schmutzige Geheimnis eines jeden von ihnen.
» Okay. Bis später dann. Oh, und Kirsty?«
» Was?«
» Es hat mir gefehlt, dass du heute früh nicht Tschüss gesagt hast. Tu das nicht noch mal, ja?«
Die Worte hüllen sie ein wie eine warme Decke. » Okay«, sagt sie. » Ich denk dran, den Fehler nicht zu wiederholen.«
Wer fährt morgens um halb zehn schon gerne Autoscooter? Und doch hat sich eine Schlange davor gebildet, obwohl dies eher darauf zurückzuführen ist, dass die
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