Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
es todernst meint. » Tschuldigung«, murmelt er.
Amber verschränkt die Arme. Zählt bis drei. » Es wird Zeit, dass du damit aufhörst«, erklärt sie ihm. » Mir ist egal, was du deiner Lunge antust, aber hier drin verstößt es gegen das Gesetz. Du lässt es in Zukunft ganz bleiben. Dir steht ein ganzer Vergnügungspark zum Rauchen zur Verfügung. Tu es draußen, oder ich muss dir eine schriftliche Verwarnung erteilen. Hast du mich verstanden?«
Unter dichten Augenbrauen starrt er sie wütend an. Dann erhebt er sich, ohne ein Wort zu sagen, macht eine übertriebene Show daraus, sein Päckchen Gold Leaf und seinen randvollen Styroporbecher zu nehmen, und stapft hinaus.
Sie bemerkt, dass es an den Tischen in Hörweite still geworden ist. Ostentativ schauen die Leute nicht in ihre Richtung. Genau, denkt sie. So fühlt es sich an, der Boss zu sein. Sie mögen dich nicht. Scheißverdammter Dienst. Von Anfang an hat dich keiner von ihnen gemocht, nicht wirklich. Nicht aufrichtig, sodass sie noch an dich denken, wenn du nicht mehr im Raum bist. Auch nicht in dem Sinn, dass sie dich anrufen würden, um zu sehen, ob alles in Ordnung mit dir ist, wenn du Probleme hast, wie gestern zum Beispiel. In deinem gesamten Leben als Erwachsene bist du den Leuten in den Arsch gekrochen, in der Hoffnung, sie würden dich mögen. Und alles, was dabei rauskommt, ist, dass sie dich verachten. Du hast sie glauben lassen, dass sie dich ausnutzen können. Du hast sie glauben lassen, dass sie deine Gastfreundschaft annehmen können und–
Sie umklammert ihr Klemmbrett wie einen Schild und geht weiter. Sie hört, wie hinter ihr aufgeregtes Getuschel einsetzt, und lächelt grimmig. Wartet nur, denkt sie. Wenn euch das schon nicht gefällt, wartet erst mal ab, was als Nächstes kommt.
Jackie sitzt mit Blessed an ihrem üblichen Tisch und schwingt Reden. Da hockt sie, mit ihrer Lederjacke, ihrem bonbonrosafarbenen Sportanzug (der, der ihren winzigen Hintern als PIKANT anpreist), ihren Nike-Imitationen, den baumelnden Kreolen und dem » J« aus Strass-Steinen zwischen den Brüsten. Sie redet über Männer. Tut sie das nicht immer? Amber starrt diese Frau an und hasst und hasst.
» … also hat Tania mit ihm geredet und ihn gefragt, auf was für Mädchen er steht, und er hat gemeint, schlank mit Olivenhaut, weißt du, ha!, da hab ich ja echt Chancen…«
Amber empfindet solchen Abscheu, dass sie erstaunt ist, wie Mitleid sich auf Knopfdruck in Verachtung verwandeln kann. Aber ihr Gesicht bleibt unbewegt: neutral, aber ernst. Sie wird nicht zulassen, dass ihr bei ihrer Rache ihre Gefühle in die Quere kommen. Das Vergnügen wird viel größer sein, wenn die Neuigkeit völlig überraschend kommt.
» … und wie sich rausstellte, hatte er einen Schwanz so groß wie der Arm von ’nem Baby«, endet Jackie.
Blessed weicht zurück, als hätte sie ihr einen Eimer Eiswasser ins Gesicht geschüttet.
» Jaqueline! Bitte!«, protestiert sie. » Ich will so etwas nicht hören.«
Jackie täuscht Zerknirschung vor und grinst sie an. » Was denn?«
Blessed starrt sie mit großen Augen an, dann presst sie die Lippen zusammen und senkt den Blick.
Verächtlich fährt Jackie fort: » Also hab ich ihn mit zu mir genommen, und ich kann dir sagen, das reinste Duracell-Karnickel. Die ganze verdammte Nacht, und sogar morgens bin ich ihn nicht losgeworden. Ich hab lauter neue blaue Flecke auf den Schenkeln…«
Amber hat genug gehört. Sie räuspert sich.
Jackie schaut auf. Setzt ein falsches Begrüßungslächeln auf. Jetzt, da Amber Bescheid weiß, ist die Heuchelei unübersehbar; der winzige hämische Zug um die Mundwinkel, das fast unmerkliche Flattern der Augenlider. Jackie gehört zu den Frauen, in deren Sexleben es gleichermaßen um Leistung wie ums Vergnügen geht. Amber hätte ahnen müssen, dass auch sie davor nicht geschützt sein würde.
» Hi«, sagt Jackie.
» Möchtest du etwas Käsekuchen?«, bietet Blessed an.
» Nein, danke, Blessed«, erwidert Amber. » Eigentlich wollte ich gern etwas mit Jackie besprechen, wenn das okay ist.«
Wieder das kaum merkliche Flattern. Jackie weiß, dass sie es weiß.«Natürlich«, sagt sie.
» Vielleicht unter vier Augen?«
» Nein, ist schon in Ordnung«, entgegnet Jackie. Eine Kampfansage. Du weißt doch, dass du dich nie der Lächerlichkeit preisgibst, Amber Gordon. Los. Du traust dich ja doch nicht. » Ich bin sicher, dass du nichts zu sagen hast, was nicht auch hier gesagt werden könnte.«
Amber
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