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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Sie gestern nacht was gesehen,
tante
?« sagte ich.
    »Sie tun mich fragen, ob ich was gesehen hab? Schauen Sie ihn sich doch an, meinen kleinen Garten. Sie haben doch Augen, oder?«
    »Nein, ich meine, ob Sie die Schießerei gestern nacht gesehen haben.«
    »Bin im Bad gewesen.«
    »Sie haben also gar nichts gesehen?« sagte Rosie.
    Die Frau stupste mit ihrem Stock an eine zerstörte Aubergine.
    »Das hab ich gesehen. Meinen Sie, das ist ’n Entenei? Tut man kein Englisch sprechen, wo Sie herkommen?«
    »Haben Sie vor Ihrem Haus eine Frau in einem weißen Wagen gesehen?« sagte ich.
    »Die hab ich gesehen. In einen Krankenwagen haben sie die gesteckt. Die war tot.«
    »Ah ja«, sagte ich.
    »Und mein Garten? Was wollen Sie da jetzt machen?«
    »Ich fürchte, da kann ich gar nichts machen«, sagte ich.
    »Der kann also mit seinen Quadratlatschen über meine ganzen Pflanzen trampeln, ohne daß ich was dagegen tun kann?«
    »Wer?« sagte ich.
    »Der Mann, der wo an meinem Bad vorbeigerannt ist. Hab ich Ihnen doch grade erzählt. Tun Sie genauso schlecht hören, wie Sie sehen? Ich bin aufgestanden, weil ich mal mußte.«
    Mir schwamm der Kopf.
    »Hören Sie gut zu,
tante
, das ist sehr wichtig«, sagte ich. »Sie sagen also, Sie haben einen Mann gesehen, der vor Ihrem Fenster vorbeirannte?«
    »Genau. Den hab ich allerdings gesehen, wie er meine kleinen Pflanzen niedergewalzt hat und den Stab runtergebrochen hat, wo ich die Tomaten hochbinde. Und dann isser einfach weitergerannt, mittenmang durch die Bäume, weiter bis über die Schienen, und dann war er weg. Hab sogar das Licht gesehen, das sich auf der kleinen Pistole gespiegelt hat, die wo er in der Hand gehabt hat.«
    Rosie und ich sahen uns an.
    »Können Sie diesen Kerl beschreiben,
tante
?« sagte ich.
    »Und wie ich das kann – ein Weißer, dem’s ganz egal ist, wo er seine großen Drecksfüße hinsetzt.«
    »Hat die Waffe so wie diese hier ausgesehen?« sagte Rosie, öffnete die Handtasche und holte ihre .357er Magnum heraus.
    »Nein, kleiner ist die gewesen.«
    »Warum haben Sie das gestern nacht nicht der Polizei erzählt?« fragte ich.
    »Ich hab’s denen gesagt. Ich war am Reden, und die machen einfach weiter mit ihrem Kram und tun grad so, als wenn ich nicht da bin, als wenn ich eine alte Frau bin, die nur im Weg steht. Da hat sich nix geändert.«
    »Woran hat sich nichts geändert?« sagte ich.
    »Wann hat uns denn das letzte Mal ’n Weißer nach unserer Meinung zu irgendwas gefragt? Mich hat jedenfalls keiner gefragt, ob ich diese Kneipe direkt vor meinem kleinen Haus haben will. Keiner kümmert sich um meinen kleinen Garten. Schwarze sind Schwarze, wie früher. Wir leben hier draußen, wo nicht mal die Straßen gepflastert sind, durch die Fliegenfenster weht’s einem den Staub von der Straße rein. Genau wie früher. Jetzt tun Sie nicht so, als ob das nicht stimmt.«
    »Sie haben uns sehr geholfen,
tante
«, sagte ich.
    Sie beugte sich über ihrem Stock nach vorne, griff mit der Hand nach einem Klumpen kaputter Tomatenpflanzen und warf sie hinaus aufs Gras. Dann mühte sie sich wieder zurück zu ihrer Veranda. Die tiefen Falten in der Haut an ihrem Hals und an ihren Schultern hingen wie weicher Talg übereinander.
    »Würd’s Ihnen was ausmachen, wenn wir Sie noch mal aufsuchen?« fragte ich.
    »Wollen Sie mir noch mehr Zeit stehlen und so tun, wie wenn Ihnen was dran liegen tut, was hier an dieser Straße los ist? Warum tun Sie mich überhaupt fragen. Sie kommen doch eh, wann Sie wollen.«
    Ihre Hinterbacken drückten wie die eines Elefanten gegen ihr Kleid, als sie sich die Treppen hocharbeitete. Als wir die Stadt verließen, machten wir an einer Gärtnerei halt, wo ich ein Dutzend Tomatensträucher kaufte und bar bezahlte, die an ihre Adresse geliefert werden sollten.
    »Ist nicht sonderlich schlau, einer potentiellen Zeugin was zukommen zu lassen, Dave«, sagte Rosie, als wir wieder auf der Überlandstraße waren.
    »Sie sind dran gewöhnt, Ihren Job in der normalen Welt zu verrichten, Rosie. Haben Sie nicht gehört, was Doobie Patout gesagt hat? Für die Mordkommission von Lafayette hat der Tod dieser Frau nicht mehr zu bedeuten als ein eingewachsener Fußnagel. Willkommen im neuen Süden.«
    Als ich wieder nach Hause kam, machte ich den Ventilator im Schlafzimmerfenster an, zog mich aus und legte mich auf die Bettdecke, einen Arm über den Augen. Die Vorhänge, bedruckt mit kleinen rosa Blumen, bauschten sich im warmen Luftzug, und ich

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