Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
mochten.«
»Bitte?«
»Hat er Ihnen nicht mal gesagt, wenn alle sich über eine Sache einig sind, stimmt wahrscheinlich damit etwas nicht?«
»Das waren seine Worte.«
»Warum beherzigen Sie die dann nicht?«
»General, jemand hat mich schwer aus dem Konzept gebracht. Ich bin völlig durcheinander. Ich kann meinen eigenen Augen und Ohren nicht mehr trauen.«
»Es tut mir leid. Sie sind was? Ich verstehe nicht recht.«
»Das gleiche Gefühl hatte ich einmal, als ich noch geboxt habe. Die Ringglocke hatte schon geläutet, und der Gegner hat mir noch einen harten Haken verpaßt, direkt hinters Ohr. Zwei oder drei Tage lang hatte ich das Gefühl, als hätte sich etwas vom Knochen gelöst, als schwömme mein Gehirn in einem Glas.«
»Halten Sie die Ohren steif.«
»Ich sehe diese Frau, ihren Hinterkopf ...Ihr Haar klebte in ihrem eigenen Blut am Wagenboden.«
»Lassen Sie sich noch einmal durch den Kopf gehen, was Sie da gerade gesagt haben.«
»Wie?«
»Sie sind ein guter Polizist, ein intelligenter Mann. Was sagt Ihnen Ihr Auge?«
»Ich brauche Hilfe, General.«
»Sie stehen mitten im Leben, Sie wachen morgens auf und riechen den Duft von Blumen, da ist eine Frau, die auf die Berührung Ihrer Finger wartet, und da verlangen Sie Hilfe von den Toten, Sir?«
Er stand mit Hilfe der Krücke auf.
»Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten«
, sagte ich.
»In Ihrem Traum, da haben Sie gesehen, wie wir uns in den Wald zurückzogen, und die lange blaue Linie von Soldaten, die aus dem Rauch über das Feld vorrückte, die haben Sie auch gesehen, stimmt’s?«
»Ja.«
»Hatten Sie Angst?«
»Ja.«
»Weil Sie dachten, Ihre Zeit sei abgelaufen, hab ich recht?«
»Ja, ich wußte, daß es soweit war.«
»Eigentlich hätte dies unser Ende sein müssen, aber wir schlugen sie zurück. Unser Durst war furchtbar. Wir tranken Regenwasser aus den Hufabdrücken von Rindern. In jener Nacht knebelten wir dann unsere Verwundeten mit Stöcken, damit sie nicht schreien und uns verraten konnten, während wir uns aus dem Wald schlichen und wieder zum Rest der Truppe gelangten.«
Ein scharfer Wind kam in den Bäumen vor dem Fenster auf. Laub vom letzten Herbst wurde vom Boden aufgewirbelt und schlug gegen das Haus.
»Ich spüre Ihren Widerstand«
, sagte er.
»Mein Lehrgeld habe ich bezahlt. Ich will nicht –«
»Was wollen Sie nicht?«
Er säuberte einen Fingernagel.
»Ich will nicht alleine unter der Flagge stehen.«
»Ach, Lehrgeld zahlen wir bis ans Ende unserer Tage, mein Freund. Ich muß jetzt los. Wir haben Südwind. Heute nachmittag wird es donnern. Ist mir immer schwergefallen, das vom Kanonenfeuer der Yankees zu unterscheiden.«
Er schnalzte mit der Zunge, setzte sorgfältig den Offiziershut auf, nahm seine Krücke und schritt durch die Rotorblätter des Ventilators im Fenster in einen kreisenden Strudel goldener und scharlachroter Blätter.
Als ich schließlich am Nachmittag richtig aus meinem Schlaf erwachte, so, als tauchte ich aus der klebrigen Wärme eines Opiumrausches auf, sah ich Alafair, die mich durch die einen Spalt geöffnete Schlafzimmertür beobachtete. Ihre Lippen waren stumm geöffnet, und in ihrem runden, sonnengebräunten Gesicht war verstörtes Unverständnis sichtbar. Das Bettzeug war klamm und um meine Beine verdreht. Ich versuchte zu lächeln.
»Bist du okay, Dave?«
»Yeah, mir geht’s gut.«
»Du hast geträumt. Du hast ganz komische Geräusche gemacht.«
»Wahrscheinlich ist es nicht so gut, wenn man am Tag schläft, Kleines.«
»Hast du wieder Malaria?«
»Nein, die macht mir kaum mehr zu schaffen.«
Sie kam ins Zimmer und legte eine Hand auf den Bettrahmen. Sie blickte zu Boden.
»Was ist los, Alf?« sagte ich.
»Ich bin mit Bootsie in den Laden an der Kreuzung gegangen. Ein Mann hat die Zeitung aufgeschlagen auf dem Tresen liegen gehabt und hat laut etwas daraus vorgelesen. Eine Frau hat uns gesehen und hat den Mann an den Arm gestubst. Dann haben sie uns beide nur angestarrt. Bootsie hat die vielleicht giftig angeschaut.«
»Was hat der Mann gesagt?«
»Eine Lady ist erschossen worden.« Ihre Hand lag fest auf dem Knauf vom Bettgestell. Sie stierte auf den Boden, und auf ihren Wangen waren kleine weiße Flecken, wie Eisstückchen. »Er hat gesagt, du hast die Lady erschossen. Du hast die Lady erschossen, Dave.«
Ich setzte mich an der Bettkante auf.
»Gestern nacht hat es Ärger gegeben, Alafair. Jemand hat mit einer Pistole auf mich geschossen, und ich habe
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