Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
gereift sein könnte. Ich schlüpfe in Khakihosen und Mokassins und trete hinaus in die kühle Luft, die nach Salz und nassem Wald riecht, und ich sehe die Truppen des Generals, die lange Reihen bilden, die wiederum in anderen Reihen aufgehen, die sich über eine endlose Landschaft mit einem Laubwald ziehen. Rote Blätter sind da wie Farbtupfer, und man sieht Pfirsichhaine, Tabakfelder, Flüsse, über denen Dampf steht, purpurfarbene Bergkämme und Täler voller Staubwolken, die die Sanitätswagen und Munitionstransporte und auf Rädern gezogenen Kanonen aufwerfen, ein Maisfeld, kaputtgetrampelt von Pferdehufen und Männerstiefeln, eine gewundene Kalksteinmauer und eine abgesackte Straße, wo wilde Schweine sich an den Toten gütlich tun
.
Der General sitzt auf einem Baumstumpf an meinem Bach, umgeben von einfachen Soldaten und seinen Adjutanten. In einem Haufen brennender Stöcke zu seinen Füßen köchelt eine geschwärzte Kaffeekanne vor sich hin. Die Offiziere wie die einfachen Soldaten essen Bienenwaben, die sie aus einer toten Eiche gekratzt haben. Der Uniformrock des Generals ist über dem verletzten Arm zugeknöpft. Ein Zivilist mit karierten Hosen, Hosenträgern, Stiefeletten und einem Strohhut ist damit beschäftigt, eine große Kastenkamera auf einem dreibeinigen Stativ vor der Gruppe aufzubauen
.
Der General tippt sich mit der Hand an den Hut und winkt mich zu sich. »Prächtiger Sturm, nicht wahr?« sagt er
.
»Warum verlassen Sie uns?«
»Oh, noch sind wir nicht weg. Ach, übrigens, ich möchte, daß Sie sich mit uns fotografieren lassen. Dieser Gentleman dahinten ist der Korrenspondent des
Savannah Republican.
Er versteht es fürwahr, eine Geschichte zu schreiben, ganz gewiß ebensogut wie dieser Bursche Melville, wenn Sie mich fragen.«
»Ich verstehe nicht, was hier vor sich geht. Warum haben sich Ihre Wunden geöffnet, wovor wollten Sie mich warnen?«
»Das ist meine Dummheit, mein Sohn. Wie Sie mache ich mir das Herz schwer mit Dingen, die ich nicht ändern kann. War es nicht Bacon, der davon sprach, man müsse jede abgeschnittene Blume in Wasser stellen?«
»Was ändern?«
»Unser Schicksal. Ihres, meines. Kümmern Sie sich um Ihr eigenes. Versuchen Sie nicht, mir nachzueifern. Schauen Sie sich doch an, wofür ich mein Leben hergegeben habe. Oh, sicher, wir sind immer Ehrenmänner geblieben – Robert Lee, Jackson, Albert Sidney Johnston, A. P. Hill–,aber die Männer, denen wir dienten, waren korrupt und böse, und der Zweck des ganzen Unterfangens elend. Wie viele Leben wären verschont geblieben, hätten wir uns nicht zu Verteidigern einer widerwärtigen Sache wie der Sklaverei gemacht?«
»Die Menschen können sich ihren Platz in der Geschichte nicht aussuchen, General.«
»Gut gesagt. Sie haben vollkommen recht.« Er gibt mir mit der flachen rechten Hand einen heftigen Klaps auf den Arm, dann stemmt er sich auf der Krücke hoch und rückt den Uniformrock zurecht. »Nun, Gentlemen, wenn Sie jetzt bitte die Bienenwaben verschwinden lassen würden, dann können wir endlich diese Fotografiererei hinter uns bringen. Ich bin erstaunt, was die Wissenschaft dieser Tage hervorbringt.«
Wir bilden eine Gruppe von acht Personen. Die einfachen Soldaten sprechen mit texanischem Akzent, ihre Zähne sind schwarz vom Schießpulver, und ihre Bärte wuchern wie Schlangen auf ihren Gesichtern. Ihre Kleidung riecht nach Pferdeschweiß und dem Rauch von Holzfeuer. In dem Augenblick, als der Fotograf den Strohhut abnimmt und seinen Kopf unter das schwarze Tuch an der Rückseite der Kamera steckt, blicke ich noch einmal in den langen, gewundenen Korridor bernsteinfarbenen Lichts und sehe dort Tausende von Soldaten, die auf Feldern in der Ferne vorrücken, die blaurotweißen Flaggen dem gegnerischen Feuer entgegengestemmt. Die Artilleriemannschaften sind in wilder Hektik an den Mündungen der rauchenden Kanonen zugange, und ich kenne die Namen der Orte, ohne daß sie je ausgesprochen worden wären – Culp’s Hill, Corinth, The Devil’s Den, Kennesaw Mountain, The Bloody Lane – und ein tosender Lärm, dem kein anderer auf der Welt gleicht, steigt im Wind auf und zieht über das wassergetränkte Land
.
Der Fotograf beendet sein Werk und bückt sich unter den Kamerakasten, um das Stativ auf die Schulter zu nehmen. Der General blickt in die frischer werdende Brise, er meidet meinen Blick
.
»Wollen Sie mir nicht sagen, was mir bevorsteht, Sir?« sage ich
.
»Was spielt das für eine Rolle, solange
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