Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
kommen? Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte er.
Als ich durch seine Tür trat, saß er, nach hinten gelehnt, in seinem Drehstuhl. Er beobachtete die Baumwipfel vor dem Fenster, die der Wind flachdrückte, und drückte mit steifen Fingern gegen seinen hervorstehenden Bauch, als entdecke er zum erstenmal sein Gewichtsproblem.
»Oh, da sind Sie ja«, sagte er.
»Was liegt an?«
»Nehmen Sie Platz.«
»Gibt’s ein Problem?«
Er rieb sich mit dem Fingerrücken das runde Kinn mit dem Grübchen.
»Da sind bestimmte Dinge am Laufen. Bevor wir hier vor vollendete Tatsachen gestellt werden, würde ich gerne wissen, wie Sie dazu stehen«, sagte er.
»Vollendete Tatsachen?«
»Ich war grad mal zwei Jahre auf der USL, Dave. Für alles die richtigen Worte zu finden ist nicht unbedingt meine Sache. Ich bemühe mich nur, so gut es geht, mit den Realitäten des Lebens auszukommen.«
»Hm, täusch ich mich, oder geht’s jetzt ans Familiensilber?«
»Die Welt, in der wir leben, ist nicht perfekt.«
»Wer macht Druck?« fragte ich.
»Es gibt viele Leute, die Balboni aus der Stadt haben wollen.«
»Was für Leute?«
»Geschäftsleute.«
»Bis vor kurzem sind sie noch prächtig mit ihm ausgekommen.«
»Die Menschen haben Mussolini geliebt, bis es soweit kam, daß sie ihn mit dem Kopf nach unten an einer Tankstelle aufgeknüpft haben.«
»Kommen Sie zur Sache, Sheriff. Wer hat hier das Heft in der Hand?«
»Das FBI. Die sind ganz wild auf Balboni. Und Doucets Anwalt sagt, mit Hilfe seines Klienten kriegen die Julie so tief ins Loch, daß sie ihn zur eigenen Beerdigung wieder ausgraben müssen.«
»Was springt für Doucet dabei raus?«
»Er bekennt sich schuldig, was den Widerstand gegen die Verhaftung und die Kuppelei angeht, also Maximum ein Jahr in einem gepflegten Gefängnis. Dann vielleicht eine neue Identität im Rahmen des Zeugenprogramms der Regierung, Therapie, Kontrollauflagen, der ganze Käse.«
»Das sollen die sich in den Arsch schieben.«
»Komisch, irgendwie hab ich mir gedacht, daß Sie das sagen würden.«
»Trommeln Sie die Presse zusammen. Sagen Sie denen, was für Schweinereien hier laufen. Geben Sie die Fotos der toten Cherry LeBlanc frei.«
»Ich bitte Sie. Solche Fotos würden die niemals drucken. Schauen Sie, mit dem, was wir haben, können wir nicht vor Gericht gehen. So verschwindet er wenigstens erst mal von der Straße und bleibt in Beobachtung.«
»Er wird wieder töten. Das ist nur eine Frage der Zeit.«
»Was wäre also Ihr Vorschlag?«
»Keinen Millimeter zurückweichen. Die sollen Blut und Wasser schwitzen.«
»Und wie soll ich das bewerkstelligen? Mich überrascht es schon, daß sein Anwalt den Vorwurf der Kuppelei einfach so hinnimmt.«
»Sie glauben, daß ich ein Foto habe, das Doucet mit Balboni und Cherry LeBlanc in Biloxi zeigt.«
»Sie glauben?«
»Na ja, Doucets Gesicht ist sehr unscharf. Der Mann auf dem Bild sieht aus wie Brotteig.«
»Na, großartig.«
»Ich bin immer noch dafür, daß wir das Opfer exhumieren und feststellen, ob die Schnittwunden dem Werkmesser entsprechen.«
»Ein Sachverständiger kann bestenfalls bezeugen, daß die Wunden denen entsprechen, die ein Werkmesser machen könnte. So heißt’s jedenfalls im Büro der Staatsanwaltschaft. Wenn’s so läuft, kommt Doucet ungestraft davon. Und Balboni auch. Ich sage, besser der Spatz in der Hand.«
»Das ist ein Fehler.«
»Sie schulden bestimmten Leuten keine Rechenschaft, Dave. Ich schon. Die wollen Julie hier weg haben, und dabei ist ihnen egal, wie wir das machen.«
»Vielleicht sollten Sie mal drüber nachdenken, ob Sie der Familie von Doucets nächstem Opfer Rechenschaft schuldig sind, Sheriff.«
Er nahm eine Kette ineinandergesteckter Büroklammern und zog sie über seine Schreibtischunterlage.
»Ich nehme nicht an, daß es viel Sinn hat, hier noch weiterzureden, oder?« sagte er.
»Ich täusche mich nicht, was diesen Kerl angeht. Lassen Sie den Vogel nicht wegfliegen.«
»Wachen Sie auf, Dave. Er ist heute morgen bereits davongeflattert.« Er ließ die Büroklammern in einen sauberen Aschenbecher fallen und ging mit der Kaffeetasse an mir vorbei. »Heut nachmittag machen Sie besser ein bißchen früher Schluß. Wie’s aussieht, ist das ein ziemlich mächtiger Hurrikan.«
Am späten Abend schlug er zu. Er schob eine Flutwelle vor sich her, die in der West Cote Blanche Bay Hausboote und auf Pfosten stehende Holzhütten überschwemmte und wie eine riesige Faust flachdrückte. Der Himmel
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