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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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im Süden hatte erst die Farbe von dunklem Zinn, dann durchzogen ihn Regen- und Gewitterwolken. Kleine Tornados fielen wie Schlangen aus den Wolken, füllten sich mit Wasser und rissen Bäume aus der Marsch, nur um dann unvermittelt auseinanderzubrechen wie Peitschen, die sich mit einem Schlag in nichts auflösen.
    Ich hörte eine lose Leinenplane auf dem Pier flattern. Sie blähte sich unter den Seiten auf, mit denen Batist und ich versucht hatten, sie festzubinden, dann wurde sie hochgehoben und überschlug sich und flog davon, bis sie im Röhricht verschwand. Wasser schwamm auf den Fenstern, man hörte Blitze im Sumpf einschlagen, in der graugrünen dunstigen Masse, und in der Ferne dröhnten Wind und Donner – sie schienen über uns zu kommen wie eine gewaltige schwarze Glasglocke. Mir war so, als hörte ich die gequälten Laute, die das Vieh meines Nachbarn ausstieß, als die Rinder sich zusammendrängten, um in einem Wäldchen Schutz zu suchen, wo ausgewachsene Bäume wie Grashalme aus dem weichen Untergrund gerupft wurden.
    Bis Mitternacht war der Strom ausgefallen, das Wasser lief nicht mehr, und Teile eines Eichenwipfels waren aufs Dach gekracht und an einer Hauswand heruntergerutscht, wo jetzt Zweige und Blätter die Fenster bedeckten.
    Ich hörte Alafair im Schlaf aufschreien. Ich zündete eine Kerze an, stellte sie in eine Untertasse oben auf ihr Bücherregal, wo sie ihre Kinder- und Malbücher aufbewahrte, und kletterte zu ihr ins Bett. Sie trug ihre Baseballkappe – Houston Astros – und hatte die Decke bis übers Kinn hochgezogen. Ihre braunen Augen wanderten aufgeregt hin und her, als ob sie Ausschau hielte nach den Geräuschen, die durch die schweren Zypressenbretter im Dach von außen ins Haus drangen. Im Flackern des Kerzenlichts sah man die ganzen Erinnerungsstücke, die sie von Urlaubsreisen mitgebracht hatte. Manche waren auch Dinge, die wir als private Markierungspfeiler der Entwicklung aufbewahrt hatten, die sie gemacht hatte, seit ich sie aus dem mit dem Dach nach unten gesunkenen Wrack eines Flugzeugs vor Southwest Pass gezogen hatte: Schneckenmuscheln und getrocknete Seesterne aus Key West, die roten Tennisschuhe, auf deren Kappen ›Links‹ und ›Rechts‹ stand, eine Donald-Duck-Mütze mit einem quakenden Schnabel – Disneyworld – das gelbe T-Shirt mit dem lächelnden roten Wal auf der Brust und der Aufschrift
Baby Orca
, das sie einem riesigen Stofffrosch übergestreift hatte.
    »Dave, auf dem Feld hinter dem Haus sind lauter Blitze«, sagte sie. »Und in dem Donner draußen kann ich Tiere hören.«
    »Das sind die Rinder von Mr. Broussard. Aber denen passiert schon nichts. Die werden sich in der Senke am Bach verkriechen.«
    »Hast du Angst?«
    »Eigentlich nicht. Aber wenn du ein bißchen Angst hast, dann ist das schon okay.«
    »Wenn man Angst hat, hat man kein Rückgrat.«
    »Das muß nicht sein. Wenn man Rückgrat hat, gibt man ruhig mal zu, daß man manchmal Angst hat.«
    Dann sah ich, wie sich bei ihren Füßen etwas unter der Decke bewegte.
    »Alf?«
    »Ja?« Sie blickte an die Decke, als beobachtete sie dort einen Vogel, der von Wand zu Wand flog.
    Ich hob die Decke am Bettende, bis ich Tripods silbriges Fell und den Schwanz mit den schwarzen Ringen sah.
    »Ich frage mich, wie unser Freund hier in dein Bett kommt, Kleines«, sagte ich.
    »Er muß sich wohl irgendwie aus seinem Käfig befreit haben.«
    »Ja, das wird’s sein. Schließlich ist er ja ein echter Experte, wenn’s drum geht, verriegelte Türen zu öffnen, stimmt’s?«
    »Ich finde, wir sollten ihn nicht wieder da rausschicken, Dave. Findest du nicht? Der Donner macht ihm angst.«
    »Wir geben ihm heute nacht einen Dispens.«
    »Einen Dis- was?«
    »Laß gut sein. Wir wollen jetzt schlafen, Kleines.«
    »Gute Nacht, Großer. Gute Nacht, Tripod. Gute Nacht, Frosch. Gute Nacht, Baby Squanto. Gute Nacht, Curious George. Gute Nacht, Baby Orca. Gute Nacht, Muscheln. Gute Nacht –«
    »Hör auf, Alf. Schlaf jetzt.«
    »Okay. Gute Nacht, Großer.«
    »Gute Nacht, Kleines.«
    Im Schlaf hörte ich den Sturm über uns hinwegziehen wie einen Güterzug, der eine abschüssige Strecke hinunterrast. Auf einmal befanden wir uns im Auge des Hurrikans, die Luft so reglos, als wäre sie in einem Glas gefangen; Blätter trudelten aus den Bäumen zu Boden, und ich konnte die Schreie der Seevögel hören, die über uns kreisten.
    Auf den Schlafzimmerfenstern glänzt ein bernsteinfarbenes Licht, das gut in einem Eichenfaß

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