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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Artilleriefeuer in weiter Ferne.
    Ich wußte, daß ich von dem Damm herabstürzen würde, aber ich schaffte es nicht, meine Hände vom Lenkrad zu lösen oder den rechten Fuß aufs Bremspedal zu bringen. Ich fühlte, wie ich zitterte, wie sich in mir alles zusammenzog, wie meine Backenzähne mahlten, als seien alle meine Nervenenden abgetrennt und mit Jod bestrichen worden. Dann hörte ich einen Blitz im Damm einschlagen, schlammiges Wasser spritzte über meine Windschutzscheibe.
    Raus
, dachte ich.
Drück mit dem Ellenbogen den Türgriff runter, und spring
.
    Aber ich konnte mich nicht rühren.
    Der Nebel war so rosa und üppig wie Zuckerwatte; elektrischer Strom schien ihn mit Leben zu erfüllen, wie ein Kaleidoskop züngelnder Schlangen. Ich fühlte noch, wie die Vorderräder des Wagens über den Rand des Deichs glitten, durch das Gewicht des Hecks zusätzlichen Schub bekamen, und mit einem Mal donnerte ich einen Abhang hinunter, durch Unkraut und umgeknicktes Zuckerrohr, durch Weidentriebe und Röhricht, bis die Vorderräder sich bis zur Achse in Wasser und Sand eingegraben hatten.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß. Ein Schwall von Farben kam über mich, wie die Übelkeit vor einem Erbrechen oder auch der gewalttätige, durch Mark und Bein gehende Schauer, der einen durchfährt, wenn man am Rande des Delirium tremens billigen Bourbon in sich hineinschüttet. Dann war es vorbei, und ich konnte im Wasser das Spiegelbild der Sterne sehen, die Silhouetten, die die Wipfel der toten Zypressen vor dem Mond warfen – und ein Lagerfeuer, wo eigentlich keins hätte sein dürfen. Es brannte in einem nebligen, etwas erhöht gelegenen Waldstück, das an die fünfundzwanzig Meter sumpfeinwärts vom Damm lag.
    Und ich wußte, dorthin mußte ich gehen.
    Als ich durch die Seerosen in Richtung der Bäume watete, sah ich die Schatten von Männern, die sich im Licht des Feuers bewegten. Ich hörte ihren Südstaatentonfall und die gedämpften Geräusche von Löffeln, die über Blechteller kratzen.
    Aus dem flachen Wasser stieg ich an den Rand der Lichtung. Ich war triefend naß, von meinen Beinen baumelten Schlingpflanzen. Die Männer am Feuer nahmen mich kaum zur Kenntnis, gerade so, als hätte man mich vielleicht erwartet. Sie kochten Kutteln in einem eisernen Topf, und sie hatten ihre Provianttaschen und Feldflaschen in die Bäume gehängt und die Gewehre in Fünferpyramiden zusammengestellt. Die grauen und nußbraunen Uniformen waren sonnengebleicht und hart von getrocknetem Salz, und ihre unrasierten Gesichter hatten das ausgezehrte, hungrige Aussehen einer Infanteriekompanie, die lange an der Front gewesen war.
    Jenseits des Feuers saß ein bärtiger Mann, der einen grauen Hut mit einem goldenen Band trug. Er starrte mich mit wilden Augen an. Sein linker Arm steckte in einer schwarzen Schlinge, und das rechte Hosenbein baumelte über einem blankgehobelten Holzbein.
    Er näherte sich mir auf einer einzelnen Krücke. Seine Kleidung roch nach Tabakrauch und Schweiß. Dann lächelte er steif. Die Anstrengung schien seine Gesichtshaut fast platzen zu lassen. Seine Zähne waren so gelb wie Mais.
    »Ich bin General John Bell Hood. Ursprünglich aus Kentucky. Wie geht es Ihnen, Sir?«
sagte er und streckte mir die Hand entgegen.

11
    »Haben Sie was dagegen, mir die Hand zu geben?«
sagte er.
»Nein. Überhaupt nicht. Ich bitte um Entschuldigung.«
    Sein Handteller war von Schwielen überzogen, die Stimme so schwer wie nasser Sand. An seinem Oberschenkel hing ein Holster mit einem Zündkappenrevolver.
    »Sie wirken etwas verwirrt«
, sagte er.
    »Kommt er so? Der Tod, meine ich.«
    »Fragen Sie die da.«
    Manche seiner Männer waren von offenen Wunden gezeichnet, die völlig frei von Blut waren. Sie waren so groß, daß ich meine Faust hätte hineinstecken können. Hinter den zusammengestellten Gewehren stand ein Krankenwagen. Jemand hatte von der hinteren Wagenklappe ein Gewirr von verkrusteten Wundverbänden auf den Erdboden geworfen.
    »Bin ich tot?«
fragte ich.
    »Für mich sehen Sie nicht so aus.«
    »Sie haben gesagt, Sie sind John Bell Hood.«
    »Das ist richtig.«
    Sein Gesicht war schmal, die Wangen eingefallen, die Haut aufgeraut von Ruß und Dreck.
    »Ich habe viel über Sie gelesen.«
    »Will doch hoffen, daß Sie damit einverstanden waren.«
    »Sie waren in Gettysburg und Atlanta. Die Texas-Brigade stand unter Ihrem Befehl. Niemand hat es geschafft, Sie zum Aufgeben zu bringen.«
    »Eine Tatsache, die meine

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