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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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das? fragte ich mich.
    Antwort: Daß vielleicht im neunzehnten Jahrhundert Trapper, Baumfäller oder auch Landvermesser der Armee hier ein Lagerfeuer errichtet hatten.
    Dann ging ich im Geiste noch einmal die Szene durch, die sich in jener Nacht abgespielt hatte: die aneinander gestellten Vorderlader, die an den Ästen hängenden Provianttaschen, die Erschöpfung der Männer, die zur Patrouille ausrücken sollten, die trockenen, blutleeren Wunden, die so aussahen, als seien sie von Maden saubergefressen worden, den Wagen, der als Ambulanz gedient hatte, und die verkrusteten Notverbände, die man auf den Boden geworfen hatte.
    Der Krankenwagen.
    Ich nahm die Taschenlampe und ging zur hinteren Seite der Lichtung. Unter dem Blätterdach der gefluteten Bäume draußen in der Marsch war das Wasser schwarz. Ich kniete nieder und begann, einen schmalen Graben auszuheben. Die Lichtung war hier leicht abfallend, und der Erdboden war weicher und feuchter, von kleinen Rinnen zerfurcht, die sich im Lauf der Zeit durch Erosion gebildet hatten. An beiden Enden meines Grabens machte ich je einen Haufen, auf den ich die Erde schaufelte; in dreißig Zentimeter Tiefe stieß ich mit dem Spaten auf Wasser.
    Ich hielt inne, machte das Werkzeug wieder zur Hacke und arbeitete mich langsam wieder die Anhöhe hoch. Dann sah ich die Roststreifen und Metallstückchen, wie kleine rote Zähne, in den feuchten Erdhaufen, die ich auf beiden Seiten angehäuft hatte. Ich leuchtete mit der Taschenlampe in das Loch, und auf der einen Seite ragte wie eine verdrehte Schlange ein verrosteter Metallstreifen, der der Kranz eines Wagenrads gewesen sein mochte.
    Fünf Minuten später stieß ich auf etwas Hartes, und ich legte mein Werkzeug am Rande des Grabens ab und förderte mit den Fingern die Nabe eines Wagenrades zutage, an der noch die handlangen Reste zerbrochener Speichen waren. Ich legte meinen Fund auf den abschüssigen Boden, und in der nächsten halben Stunde trug ich daneben einen ganzen Haufen zusammen: eckige Nägel, morsches Holz, so leicht wie Balsa, Metallscharniere, Kettenglieder, ein rostiges Stück einer Blechtasse und eine Säge. Der Holzgriff und die Zähne des Sägeblattes hatten sich im Grundwasser fast völlig aufgelöst, aber an dem stummeligen, eckigen, fast schon brutalen Umriß konnte kein Zweifel bestehen – es war die Säge eines Chirurgen.
    Ich trug alles, was ich gefunden hatte, zurück zum Boot. Meine Kleider waren voll mit Schlamm; ich stank nach Schweiß und Insektenschutz. Geplatzte Wasserblasen brannten in meinen Handflächen. Ich wollte Bootsie aufwecken, Elrod anrufen, vielleicht sogar den Sheriff, hätte am liebsten jedem, der bereit war, mir zuzuhören, von meinem Fund erzählt.
    Aber dann mußte ich mich damit auseinandersetzen, wie dumm das von mir gedacht war. Wie sehr bei Verstand konnte ein Mann sein, zumindest in den Augen anderer, der tief in der Nacht in einem Sumpf nach Relikten des Bürgerkriegs gräbt, um zu beweisen, daß er nicht wahnsinnig ist?
    Tatsächlich wies ein solches Verhalten gewisse Ähnlichkeiten auf mit dem eines Mannes, der sich selbst als kosmischen Reisenden bezeichnete und einem als Beweis dafür, daß er bei Verstand ist, die Buchungsbestätigung eines Ufo-Flugs zeigte.
    Wieder zu Hause, bedeckte ich mein Boot mit einer Plane, duschte, aß in der Küche ein Sandwich mit Schinken und Zwiebeln, während Nachtvögel einander unter dem Vollmond ein Ständchen brachten. Ich kam zu dem Schluß, daß der General und ich unser Geheimnis nicht mit denen teilen würden, deren Leben und Sichtweise sich am Tageslicht und einem rationalen Standpunkt orientierten.

12
    Am nächsten Morgen schlief ich lange, und als ich aufwachte, fand ich auf dem Kühlschrank eine Nachricht von Bootsie, daß sie mit Alafair zum Einkaufen in die Stadt gefahren war. Ich machte mir ein Tablett mit Zichorienkaffee und heißer Milch, Grape-Nuts und Erdbeeren und trug es hinaus zu dem Redwoodtisch unter der Akazie hinter dem Haus. Der Morgen war noch nicht heiß, und Blauhäher flatterten durch den unregelmäßigen Schatten; vom Rasensprenger meines Nachbarn breitete sich ein dunstiger Regenbogen über dem Gras aus.
    Dann sah ich den Dienstwagen von Rosie Gomez – aus dem Fahrzeugpool der Regierung – an unserem Briefkasten abbremsen und in unsere Einfahrt einbiegen. Ihr Gesicht war nach oben gereckt, damit sie richtig übers Lenkrad blicken konnte. Ich erhob mich vom Tisch und winkte sie zur Rückseite des

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