Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
Auge sah ich immer die Stiefel des toten Mannes, in denen keine Schnürsenkel steckten, und die verrotteten Lumpenfetzen um seine Hüfte, wo ein Gürtel hätte sein sollen. War er zum Zeitpunkt seines Todes in Polizeigewahrsam gewesen? Waren es zwei Cops, die ihn überführen sollten und beschlossen hatten, ihn zu exekutieren? » Wenn das der Fall war, warum trug er dann keine Handschellen? Vielleicht hatten sie ihn mit der Kette gefesselt, damit die Leiche versank, dachte ich. Nein, das konnte nicht stimmen. Wenn das Opfer von Cops hätte überführt werden sollen, hätten sie ihm die Handschellen angelassen, bis sie ihn ermordet hatten, um sie dann abzunehmen und den Leichnam mit Gewichten zu beschweren. Außerdem, warum sollten Cops überhaupt die Leiche im Atchafalaya versenken? Sie hätten behaupten können, daß sie angehalten hätten, damit er pinkeln konnte, er wäre in Richtung des Waldes davongerannt, und sie wären dazu gezwungen gewesen, ihn zu erschießen. Eine solche Darstellung vom Tode eines Gefangenen wurde in den seltensten Fällen angezweifelt.
    Dann fand ich es, auf der Seite mit den Regionalnachrichten der Ausgabe vom 27. Juli 1957. Ein achtundzwanzig Jahre alter Schwarzer namens DeWitt Prejean war im St. Landry Parish im Norden von Lafayette verhaftet worden, weil er ins Haus einer weißen Familie eingebrochen war und die Ehefrau mit einem Fleischermesser bedroht hatte. Über seine Motive oder Absichten stand nichts drin. Eigentlich betraf die Story nicht seine Verhaftung, sondern seine Flucht. Nur elf Stunden war er in Gewahrsam gewesen, es war noch nicht einmal offiziell Anklage erhoben worden, als zwei bewaffnete Männer mit Handschuhen und Halloween-Masken um vier Uhr morgens ins Bezirksgefängnis eindrangen, den Wärter der Nachtschicht in der Toilette einsperrten und DeWitt Prejean aus einer Arrestzelle im unteren Stockwerk herausholten.
    Die Geschichte war nur ein kurzer Einspalter.
    Ich ließ den Mikrofilm durch den Sucher laufen, um zu sehen, ob die Geschichte weiterverfolgt wurde. Wenn da noch was war, fand ich es nicht, und ich ging jede einzelne Nummer des Daily Iberian bis zum Februar 1958 durch.
    Jeder gute Cop, der einige Zeit im Archiv einer Zeitung verbringt, vor allem im ländlichen Süden, weiß, wie bestimmte Ereignisse in der Ära vor der Bürgerrechtsbewegung gemeldet oder verschwiegen wurden. »Der Verdächtige wurde überwältigt« bedeutete für gewöhnlich, daß jemand unliebsame Bekanntschaft mit einem Schlagstock oder Totschläger gemacht hatte. Fälle, in denen es um Inzest und Kindesmißbrauch ging, wurden im Normalfall völlig verschwiegen. Die Meldungen über den Tod von Gefangenen in der Haft waren wenig mehr als Todesanzeigen, mit einem Satz am Ende, der im wesentlichen besagte, daß die Ergebnisse der Autopsie noch nicht feststünden.
    Die vollzogene oder nur versuchte Vergewaltigung einer weißen Frau durch einen Schwarzen war allerdings ein heikleres Thema. Polizei und Staatsanwaltschaft wahrten grundsätzlich die Anonymität des Opfers, was selbst so weit ging, daß dem Vergewaltiger manchmal ein anderes Verbrechen zur Last gelegt wurde, eins, das der Richter, falls überhaupt möglich, genauso streng wie eine Vergewaltigung bestrafen würde. Aber eine solche Tat traf so sehr ins Mark der kollektiven Ängste der weißen Gesellschaft und löste eine solche Empörung aus, daß die Lokalzeitung gar nicht anders konnte, als die Story in einer Form zu bringen, die niemanden im unklaren darüber lassen würde, was wirklich geschehen war und welches Schicksal den Vergewaltiger erwartete.
    Der Artikel im Iberian von 1957 hatte auch erwähnt, daß DeWitt Prejean elf Stunden nach seiner Verhaftung aus einer Arrestzelle geholt worden war.
    Niemand blieb elf Stunden in einer Arrestzelle, schon gar nicht in einem Gefängnis auf dem Land, wo es keine zwanzig Minuten dauerte, einen Verdächtigen in eine Haftzelle einzuweisen.
    Ich hinterließ eine Nachricht für Bootsie und fuhr dann nach Lafayette, von dort aus weiter zwanzig Meilen nördlich nach St. Landry Parish zu dem alten Gefängnis in Opelousas.
    James Bowie hatte einst in der Stadt gewohnt, bevor er in New Orleans ein wohlhabender Baumwoll- und Sklavenhändler geworden war. Aber in den fünfziger Jahren waren es andere Dinge, die die Stadt berühmt machten, namentlich politische Korruption, ein berüchtigtes Bordell – Margaret’s –, das seit den Tagen des Bürgerkriegs in Betrieb war, und diverse Spielhallen,

Weitere Kostenlose Bücher