Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Sonne schien seine dunkle Haut mit Glanz zu überziehen. Sein Körper und der Stock verhielten völlig regungslos, sein Blick stur und voller Hingabe auf den Korkschwimmer gerichtet. Der Abend war so ruhig und träge, der Junge so gebannt vor Konzentration, daß es war, als stünde ich vor einem Gemälde.
Dann merkte ich, und es gab meinem Herzen einen Stich, daß etwas nicht stimmte – ich hörte keinen Ton. Ein Wagen fuhr auf der unbefestigten Straße vorbei, der Junge bewegte sein Paddel an der Seite des Einbaums, um den Standort zu wechseln. Aber ich hörte keinen Laut außer dem trockenen Widerhall meines eigenen Atems.
Ich ging ins Haus, wo Bootsie im Wohnzimmer unter einer Lampe las. Ich wollte etwas sagen, so zögernd wie jemand, der das Schweigen in einer Kirche stört, nur um zu sehen, ob ich den Klang meiner eigenen Stimme hören konnte, als ich die Fliegentür hinter mir zuknallen hörte. Es war wie ein Schlag aufs Ohr. Dann hörte ich auf einmal den Fernseher, die Grillen in den Bäumen, den Gartensprenger meines Nachbarn, dessen Strahl auf seine Myrtensträucher schlug, Batist, der draußen am Pier einen Außenbordmotor anwarf.
»Was ist, Dave?« sagte Bootsie.
»Nichts.«
»Dave?«
»Es ist nichts. Ich schätze, ich hab Wasser in die Ohren bekommen.« Ich machte den Mund auf und zu.
»Dein Essen steht auf dem Tisch. Willst du es?«
»Yeah, klar«, sagte ich.
Ihre Augen musterten meine.
»Ich wärm’s dir noch mal auf«, sagte sie.
»Das wäre schön.«
Als sie an mir vorbeilief, blickte sie wieder kurz in mein Gesicht.
»Was ist los, Boots? Seh ich aus, als wär ich gerade aus einem Dimensionenriß aufgetaucht?« sagte ich und folgte ihr in die Küche.
»Du siehst müde aus, das ist alles.«
Sie blieb mit dem Rücken zu mir gewandt, während sie Folie um mein Abendessen wickelte, um es in das Mikrowellengerät zu stellen.
»Stimmt was nicht?« sagte ich.
»Nein, eigentlich nicht. Der Sheriff hat angerufen. Er will, daß du dir eine Woche frei nimmst.«
»Warum hat er das nicht mir gesagt?«
»Das weiß ich nicht, Dave.«
»Ich glaube, du verschweigst mir was.«
Sie stellte meinen Teller in die Mikrowelle und drehte sich um. Sie trug ein Goldkreuz an einer Kette, und das Kreuz hing schief vor ihrer rosa Bluse. Sie hob die Finger und betastete sanft meine Wange und die Schwellung über meinem rechten Auge.
»Du hast dich heut nicht rasiert«, sagte sie.
»Was hat der Sheriff gesagt, Boots?«
»Es geht mehr um das, was andere sagen. Im Büro des Bürgermeisters. Im Department.«
»Und was sagen die?«
»Daß du vielleicht einen Nervenzusammenbruch hast.«
»Glaubst du das?«
»Nein.«
»Wen schert’s also?«
»Den Sheriff.«
»Das ist sein Problem.«
»Ein paar Deputies sind raus zum Filmset gefahren und haben ein paar der Leute befragt, die auf der Geburtstagsparty von Mr. Goldman waren.«
»Wozu soll das gut sein?«
»Sie haben die Leute gefragt, wie du dich dort verhalten hast, solche Sachen.«
»War einer dieser Deputies Rufus Arcenaux?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Boots, dieser Kerl würde seine Mutter an einen Hundezüchter verkaufen, um befördert zu werden.«
»Darum geht’s hier nicht. Einige dieser Schauspieler haben gesagt, du seist den ganzen Abend mit einem Drink in der Hand rumspaziert. Die Leute glauben das, was sie hören wollen.«
»Ich hatte am nächsten Morgen Blut- und Urintests. Keine Spur von Alkohol. Das ist im Krankenhaus nachprüfbar.«
»Du schlägst in aller Öffentlichkeit einen von Julie Balbonis Gangstern zusammen, Dave. Du gibst einheimischen Geschäftsleuten eine Vielzahl von Signalen, daß du vielleicht im Begriff stehst, einen Haufen Geld aus der Stadt zu verscheuchen. Du erzählst den Sanitätern, daß da draußen im Sumpf verletzte Südstaatensoldaten sind. Was erwartest du denn, wie die Leute da über dich reden?«
Ich setzte mich an den Küchentisch und blickte durch die Gazefenster auf die länger werdenden Schatten im Gras. Meine Augen brannten, als hätte ich Sand unter den Augenlidern.
»Ich habe keine Kontrolle über das, was die Leute sagen«, sagte ich.
Sie trat hinter mich und legte ihre Handflächen auf meine Schultern.
»Über eins wollen wir uns klar sein«, sagte sie. »Es ist einfach nicht drin, daß wir uns zu was hinreißen lassen, das denen hilft, uns zu schaden. Okay, Dave?«
Ich legte meine rechte Hand auf ihre.
»Ich laß mich zu nichts hinreißen«, sagte ich.
»Also versuch gar nicht erst zu
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