Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
auch, daß er keine Ahnung hatte, von wem ich redete.
»Nein?« sagte ich.
»Was wollen Sie trinken?«
»Ein Seven Up.«
Er machte die Flasche auf und goß sie in ein Glas voller Eiswürfel. Aber er stellte mir das Glas nicht hin. Er ging ans hintere Ende der langen Theke, platzierte dort das Glas und wartete auf mich. Als er sich auf den Tresen stützte, zeichneten sich die Muskeln an seinen braunen Armen wie kleine Felsbrocken ab. Ich folgte ihm am Tresen entlang und setzte mich auf einen Barhocker vor ihn.
»Nach welcher Amber suchen Sie?«
»Ich kenn nur eine.«
»Die ist hier kein Stammgast. Aber ich könnte jemanden anrufen, der weiß wahrscheinlich, wo sie sich rumtreibt. Ich mein, wenn wir von derselben Torte reden.«
»Eine Mexikanerin?«
»Yeah, eine Mexikanerin.«
»Redet sie wie eine Mexikanerin?«
»Yeah. Wie soll eine Mexikanerin denn reden?«
»Dann ist sie nicht die, die ich such.«
»Lassen Sie sich das Seven Up schmecken, Partner«, sagte er und zog ab.
Ich wartete eine halbe Stunde. Der Biker verließ das Lokal, und ich hörte, wie er den Starter seines Motorrads betätigte und davonbrauste, bis das Dröhnen der Maschine nicht mehr zu hören war. Dann gingen die Collegekids, und die Bar war fast menschenleer. Der Barkeeper brachte mir noch ein Seven Up. Ich faßte nach meiner Brieftasche.
»Geht aufs Haus«, sagte er.
»Hab ich heut Geburtstag?« sagte ich.
»Sie sind ein Cop.«
»Ich bin ein Cop?«
»Ist mir egal. Ich hab gern Cops im Laden. Hält einem das Gesocks vom Leib.«
»Warum halten Sie mich für einen Cop, Parther?«
»Weil ich grad mal vor die Tür bin, um frische Luft zu schnappen, und da hab ich Lou Girard gesehen, der auf unsere Bananenstauden gestrullt hat. Bestellen Sie Lou ein Dankeschön von mir.«
Also gab ich es auf und ging wieder nach draußen in die schwüle Nacht, wo Staub von der unbefestigten Straße her wehte und Blitze lautlos über dem Golf am Himmel flackerten.
»War nix, fürchte ich«, sagte ich Lou durchs Wagenfenster. »Tut mir leid, daß ich dich wegen nichts bemüht hab.«
»Vergiß es. Wollen wir noch was essen gehen?«
»Nein, ich seh mal besser zu, daß ich heimkomm.«
»Diese Nutte, Amber, die heißt mit vollem Namen Amber Martinez. Wie ich gehört hab, will sie nicht länger auf den Strich gehen. Aber ich kann sie für dich auftreiben.«
»Nein, ich glaube, da wollte mich jemand nur verarschen.«
»Wenn ich was für dich tun kann, laß es mich nur wissen.«
»Klar. Noch mal danke. Gute Nacht, Lou.«
»Gute Nacht, Dave.«
Ich sah noch, wie er um das Gebäude herumfuhr und auf die unbefestigte Straße bog. Die ersten Regentropfen prasselten auf das Dach meines Pickups.
Aber vielleicht war es zu früh, wenn ich jetzt schon ging, dachte ich. Wenn der Barkeeper Lou Girard erkannt hatte, dann vielleicht auch die Frau.
Ich ging noch einmal rein. Kein Barhocker war mehr besetzt. Der Barkeeper spülte Bierseidel in einem Metallbecken. Er hob den Kopf.
»Sie ist immer noch nicht da. Weiß nicht, was ich Ihnen sonst noch sagen soll, Buddy«, sagte er.
Ich steckte einen Quarter in die Musicbox und wählte eine alte Clifton-Chenier-Platte,
Hey ’Tite Fille
, dann ging ich nach vorne auf die Eingangsstufen. Vor dem Neonlicht der Dixie-Bierreklame fiel der Regen wie ein schräger Strich und prasselte in die Gräben und auf den Parkplatz. Auf der anderen Straßenseite standen zwei kleine Holzhäuser, und daneben war ein leerstehendes Grundstück mit einem Gemüsegarten und drei dunklen Eichen, davor geparkt ein alter weißer Buick. Dann schaltete jemand in dem Haus nebenan ein Licht an, und ich sah auf dem Beifahrersitz des Buick die Silhouette einer Gestalt. Ich sah sie so klar, als hätte sie jemand aus Blech ausgestanzt, und dann sah ich auf einer verchromten oder vernickelten Oberfläche kurz Licht aufblitzen, so grell wie ein Spiegeltelegraph.
Der Regen dämpfte die Schüsse –
popp, popp
, wie Chinakracher unter einer Blechdose –, aber ich sah die Funken aus dem Pistolenlauf durch die Dunkelheit im Innern des Buick fliegen. Der Schütze hatte einen seltsamen Winkel für seine Schüsse gewählt, quer über den Sitz und durchs Rückfenster, aber ich wartete nicht erst, um nachzudenken, warum er aus so einer ungünstigen Position auf mich geschossen hatte.
Ich riß die .45er unter meinem Hemd hervor, ließ mich hinter der Stoßstange meines Pickups auf die Knie fallen und eröffnete das Feuer, beide Hände gerade nach vorne
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