Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Der mit Austernschalen aufgeschüttete Parkplatz war überzogen von Hunderten von flachgedrückten Bierdosen, und die Büsche am angrenzenden Grundstück stanken von all den Leuten, die nächtlich dort hinein urinierten. Um die Bar zu errichten, hatte der Wirt einen Teil der Vorderwand eines Holzhauses herausgeschlagen und im rechten Winkel einen Wohntrailer mit Neonfassade daran montiert. Ursprünglich hatte er wohl vorgehabt, daß das Lokal genau seinem Äußeren entsprechen sollte – eine billige Bar, wo man keine großen Vergleiche anstellen mußte und einfach jemanden abschleppen konnte, ohne sich Sorgen über die eigenen Defizite zu machen.
Aber die Bar wurde auf eine Weise erfolgreich, die der Wirt nicht vorhersah. Er heuerte schwarze Musiker an, weil sie billig waren, und ohne sein Zutun endete er mit einer der besten neuen Zydeco-Bands im Südwesten Louisianas. Und an Samstagabenden frittierte er Kartoffeln in Hühnerfett, die es in Zeitungen gewickelt gratis für die gewaltigen Menschenmengen gab, die sich bis draußen auf den Parkplätzen drängten.
Aber heute war kein Samstag, keine Band spielte; außer der Musik aus der Jukebox drangen kaum Geräusche aus der Bar, und von meinen Wagenreifen zog eine Staubwolke über die Büsche, die säuerlich nach Bierurin rochen.
Lou Girard stieg aus seinem Wagen aus und kam zu meinem Fahrerfenster. Er war ein gewaltiger Mann, mit einem Kopf so groß wie ein Basketball, der zu seinen Anzügen Cowboystiefel trug, dazu in einem handgemachten Gürtelholster eine verchromte .357er Magnum. Außerdem trug er einen geflochtenen Totschläger in seiner Gesäßtasche und Handschellen, die er hinten in seinen Gürtel geschoben hatte.
»Schön, dich zu sehen, Streak«, sagte er.
»Find ich auch, Lou. Wie steht’s zu Haus?«
»Meine Frau ist endgültig abgehauen. Mit ihrer Kosmetikerin. Mit einer Frau. Na ja, das erklärt zumindest, warum sie mir im Bett immer ein bißchen unbeteiligt vorkam. Was liegt heut abend an?«
»Ich geh mal rein und schau mich um. Wenn du hier draußen bleibst und mir den Rücken deckst, wär das gut. Ist keine große Sache.«
Er blickte auf die Bretterrückwand der Bar, auf die kaputten Fenster und die überquellenden Mülltonnen, und hakte den Daumen in den Gürtel.
»Seit wann brauchst du für so einen Kleinkram einen zweiten Mann?«
»Vielleicht setze ich allmählich Rost an.«
»Nein, im Ernst, mein Freund.«
»Den Mord an Kelly Drummond hast du mitgekriegt?«
»Diese Schauspielerin? Ja, klar.«
»Ich halte es für möglich, daß der Schütze eigentlich hinter mir her war. Ich hab keine Lust, in einen Hinterhalt zu geraten.«
»Für einen Hinterhalt wär das hier ein verdammt seltsamer Ort, Dave. Warum sollte jemand einen Cop an einen öffentlichen Ort in Lafayette locken, um ihn umzulegen?«
»Wer weiß? Was treibt solche Typen überhaupt?«
»Hast du irgend ’ne Idee, wer der Killer sein könnte?«
»Vielleicht ein Mann, der vor fünfunddreißig Jahren an einem Lynchmord beteiligt gewesen ist.«
Er nickte, und ein trüber Schleier zog sich über seine Augen.
»Kommt dir wenig plausibel vor?« fragte ich.
»Was heißt schon plausibel? Ich versuch, vom Alk runterzukommen, und meine Leber schwillt an wie ein Football, meine Frau ist ’ne Lesbe, wie sich rausstellt, und mein Freizeitvergnügen besteht darin, daß ich mich hinter einen Haufen Büsche stelle, die stinken, als ob jemand draufgepißt hat, dem die Niere wegfault.«
Ich zog das Hawaiihemd aus der Hose, steckte mir die .45er hinten in den Gürtel und betrat das Gebäude durch den Hintereingang. Im Innern des Lokals roch es nach kühlschrankkaltem Frischluftspray und Tabak. Der Holzboden war uneben aufgeworfen und übersät von Zigarettenbrandmalen, die wie schwarze Insekten aussahen. Ein paar Collegekids ließen die Jukebox laufen und tranken Bier aus einem Pitcher am Tresen, und zwei oder drei Paare tanzten im Nebenraum. Ein einzelner Biker mit einer blonden Löwenmähne und Gefängnistätowierungen an beiden Armen stieß am Billardtisch die weiße Kugel so hart, daß sie über den Tisch sprang und gegen die Jukebox prallte. Ansonsten war Red’s tot, und das einzige weibliche Wesen an der Theke war eine ältere Frau, die dem gähnenden Barkeeper ausgiebig ihr Leid und ihre Unzufriedenheit klagte.
»Was darf es sein?« sagte er zu mir.
»Ist Amber heut schon dagewesen?«
Er schüttelte den Kopf. Das mochte bedeuten, daß sie noch nicht dagewesen war, oder aber
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