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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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landeinwärts, dann in nördlicher Richtung zum Viksfjord. Vielleicht wollte er, daß du ihn findest. Vielleicht wollte er dir gegenüberstehen und gegen dich kämpfen.«
    »Hat er dich verletzt?«
    »Er hat mich nicht geschändet. Er war dabei, es zu tun, aber Ingunn schlug ihn nieder. Ich habe ihn mit den Riemen seiner Stiefel gefesselt, und dann sind wir um unser Leben gelaufen.«
    Er schlang seinen Arm um sie. »Das habt ihr beiden Frauen gut gemacht.«
    Sie ritten hintereinander, als sie sich dem Lager näherten. Dann ließ Magnus anhalten und absitzen. Er befahl Zarabeth, bei den Pferden zu bleiben. Sie beobachtete ihn, wie er lautlos an den Rand des Waldes schlich.
    Übelkeit drehte ihr den Magen um. Ingunn trat an sie heran.
    Dann ein Schrei. »Er ist weg! Der Schweinehund ist fort! Der gemeine Feigling.«
    Die Frauen sahen einander an, dann rannten sie los.
    Gunnar lag auf den Knien und untersuchte die Feuerstelle und den Boden im Umkreis. »Ich glaube nicht, daß er überhaupt versucht hat, die Herrin zu verfolgen, Magnus. Er muß von dort zurückgekommen sein — schau, seine Fußabdrücke zeigen, daß er etwas wackelig auf den Beinen war. Ich glaube, eine Verfolgung war ihm zu gefährlich, und er machte sich lieber aus dem Staub.«
    Alle waren weg, bis auf die Frau. Sie lag nackt und tot neben einem Baum. Erdrosselt.
    Kurz darauf entdeckte Ragnar einige Strichzeichnungen im Sand nahe der Feuerstelle. Sie stellten einen kleinen Menschen dar mit einem Strick um den Hals, der von einem größeren Mann geführt wurde. Der Mund des Mannes lächelte. In seiner freien Hand hielt er ein Kästchen.
    »Das ist Egill«, flüsterte Magnus heiser. »Das ist mein Sohn. Er hat Egill in seiner Gewalt.«
    »Dein Traum«, sagte Zarabeth ehrfürchtig.
    »Ja, er ist ein Sklave, aber er ist am Leben. Bei Thor, wo kann Orm ihn hingeschafft haben?«
    Ingunn trat hinzu und ging in die Hocke, um die Zeichnungen zu studieren. »Er hat mir kein Wort davon gesagt, daß er Egill gefangengenommen hat, kein einziges Wort.« Ihre Stimme klang aufrichtig entsetzt.
    »Aber wir wissen, wo wir Egill finden«, sagte Zarabeth mit einem Lächeln. »Er ist in Danelagh.«

24
    Es war kurz nach Tagesanbruch, der Himmel blaßrosa, von grauen Streifen durchzogen, die Luft kühl und frisch. Nichts regte sich. Die Tiere des Waldes schliefen noch.
    Zarabeth lag an Magnus geschmiegt, den Kopf an seine Schulter gebettet, horchte auf seine regelmäßigen Atemzüge. Ihre Hand lag flach auf seiner Brust an seinem Herzen. In kaum zwei Tagen würden sie wieder in Malek sein, in ihrer neuen Heimat.
    Sie schmiegte sich enger an ihn. Er hatte nach ihr gesucht. Er hatte keine Zeit verloren, keinen Gedanken daran verschwendet, daß sie von Malek geflohen sein könnte oder sich von einem Felsen ins Meer gestürzt hatte. Sie stützte sich auf den Ellbogen und sah ihm ins Gesicht. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Sie beugte sich über ihn und küßte ihn leicht auf den Mund. Küßte ihn noch einmal und noch einmal.
    Langsam öffnete er die Augen, obwohl er bei ihrer ersten Berührung schon wach geworden war.
    »Es ist früh, Zarabeth. Ich will noch ruhen. Die Suche nach dir bis ans Ende der Welt war anstrengend. Aber ich gestatte dir, mich noch einmal zu küssen.«
    Das ließ sie sich nicht zweimal sagen, und zwischen zarten Küssen hauchte sie: »Du hast dich auf die Suche nach mir gemacht.«
    Er versteifte sich, und sie hörte auf, ihn zu küssen und sah ihn an. Ernsthaft sagte er: »Hast du einen Moment daran gezweifelt, daß ich nach dir suche?«
    »Nein, nicht einen Moment. Ich denke, auch Ingunn hat nicht daran gezweifelt. Sie versuchte ständig, Orm zur Eile anzutreiben, doch der ließ sich nicht beirren. Ich glaube, er ist wahnsinnig.«
    »Ja, mag sein. Aber als wir Kinder waren . . .« Seine Stimme stockte. Und dann unvermittelt: »Dein Magen macht einen solchen Lärm, daß ich nicht mehr einschlafen kann.«
    »Seit Orm mich entführt hat, bin ich hungrig.«
    Er zog die Stirn in Falten. »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Ich habe nicht daran gedacht. Nein, Magnus, bleib liegen. Ich verhungere nicht bis Sonnenaufgang, das verspreche ich.« Seufzend fügte sie hinzu: »Es ist ein wunderbares Gefühl, wieder sauber zu sein, obwohl das kalte Wasser mir beinahe die Nase abgefroren hat.« Sie küßte ihn wieder und dachte an ihr gemeinsames Bad im Viksfjord am Abend zuvor.
    »Wenn ich dich nach Malek gebracht und Ingunn bei meinem Vater abgeliefert

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