Im Schatten der Mitternachtssonne
noch haben, abgesehen von mir?«
Ingunn schlug hart zu, und er war nicht darauf gefaßt.
Beide stürzten fast vom Pferd. Nur mühsam erlangte er das Gleichgewicht wieder. Er starrte sie schweigend an. Dann lächelte Ragnar. Und mit einem flinken Griff hatte er sie aus dem Sattel gehoben und sich über die Schenkel gelegt. Seine flache Hand schlug klatschend auf ihre Hinterbacken, und Ingunn schrie gellend auf und versuchte sich strampelnd zu entwinden. Er lachte bloß, sein Hengst scherte seitwärts aus. Ragnars Schläge trafen weiter klatschend ihren Hintern, und mit jedem Schlag sprach er ein Gebot aus. »Ingunn hör gut zu: Du sollst mir nie widersprechen. Du sollst mir stets gehorchen. Du sollst mich nicht beschimpfen. Du sollst dich mir nicht widersetzen. Du sollst mich küssen, wann immer ich es wünsche. Du sollst mir stets ein süßes Lächeln schenken. Und nur sanfte Worte sollen aus deinem Mund kommen.«
Magnus trieb Thorgell zur Eile an. Zarabeth vergrub ihr Gesicht in seinem Wams. Das Leben schwankte doch erstaunlich schnell zwischen Entsetzen und Lachen, von bitteren Kränkungen zu Zärtlichkeiten. Ingunn zeterte immer noch, und Ragnar versohlte ihr weiterhin den Hintern und gab ihr Verhaltensmaßregeln. Zarabeth spürte Magnus' warmen Körper und wußte, daß sie zum Leben zurückfinden würde, mit all seinem Leiden und seinem Lachen. Sie durfte sich dem Leben nicht länger verschließen, sich nicht länger absondern und von außen zusehen, unberührt, einsam und verloren.
Sie ritten einige Zeit schweigend und entfernten sich von den anderen. Gelegentlich drang Ingunns schrille Stimme und Ragnars Lachen zu ihnen herüber, begleitet von den anspornenden Zurufen der Männer.
Magnus brachte das Pferd an einem kleinen, blauen See zum Stehen, ließ die Zügel hängen, damit Thorgell trinken konnte. »Hast du Durst, Zarabeth?«
Ja, sie hatte Durst. Sie stiegen vom Pferd, und sie kniete am Ufer nieder und schöpfte Wasser mit der hohlen Hand. Es schmeckte wunderbar erfrischend.
»Besser?« »Ja«, sagte sie im Aufstehen, und das Schwert schlug klirrend gegen ihren Schenkel.
Magnus ließ den Blick über den Viksfjord schweifen. »Egill ist am Leben. Es ist merkwürdig, daß ich, ein Mann ohne große Einbildungskraft und Fantasie davon träumte, er lebt, und daß er in die Sklaverei verkauft wurde. Orm muß mir Rede und Antwort stehen.«
»Ich komme mit dir.«
Unwirsch drehte er sich herum und sah sie an. Sie stand vor ihm, in seiner Tunika, den lächerlich breiten und viel zu langen Gürtel um ihre Hüften gebunden, das schwere Schwert umgegürtet, das beinahe bis zur Erde hing. Er lächelte: »Nein.«
Sie achtete nicht auf seine Absage, reckte nur das Kinn vor.
Er nahm ihre Hand und zog sie an sich. »Diesmal sorge ich für deine Sicherheit. Du wirst in der Obhut meiner Eltern bleiben, bis ich zurückgekehrt bin.«
»Willst du mich wie ein Kind oder eine Gefangene bei deinen Eltern zur Aufbewahrung geben? Ich war feige, Magnus, aber ich bin es nicht mehr. Ich muß mit dir nach York fahren. Dort willst du doch hin.«
Er hob die Schultern.
»Ich weiß, wo Orm sein Land gekauft hat.«
»Wo?«
»Das sage ich dir nur, wenn du mir versprichst, daß du mich mitnimmst.«
»Du wirst mich nicht zwingen, Zarabeth. Ich brauche nur Ingunn zu fragen.«
Zarabeth log ihm unverschämt ins Gesicht. »Sie weiß es nicht. Orm hat es nur mir gesagt.«
»Ich frage sie trotzdem. Komm, wir haben noch einen langen Ritt vor uns, bevor wir das Nachtlager aufschlagen können.«
Zarabeth blickte sehnsüchtig ins Wasser. »Ich würde gern noch mal ins Wasser springen.«
»Vielleicht heute abend«, meinte er. Er gab ihr einen
Kuß. »Wenn du nett zu mir bist, wasche ich dich vielleicht höchstpersönlich.«
Er küßte sie wieder und hob sie in den Sattel. Thorgell rupfte noch rasch ein paar Büschel von dem saftigen Gras am Seeufer.
Ihre Rückkehr nach Malek am frühen Nachmittag des nächsten Tages wurde mit großem Jubel begrüßt. Magnus erlaubte Ingunn, die Nacht auf seinem Hof zu verbringen. Am Morgen sollte Ragnar sie zu seinen Eltern bringen. Sie war verschlossen und stumm. Zarabeth fragte sich, ob die Frau sich je ändern würde, ob sie je ihre schlechte Laune ablegen und ein freundliches Gesicht zeigen würde.
Zarabeth nahm ihre gewohnten Arbeiten wieder auf. Ein reichliches Mahl wurde bereitet, ein frisches Faß Bier aus dem Viksfjord geholt, wo es in Netzen in der kühlen Tiefe hing. Die Frauen
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