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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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wolkenlos. Sie ritten nahe am Wasser, den Wald zur Linken, das Meer zur Rechten. Dies war der schnellere Weg nach Malek. Magnus hatte Zarabeth vor sich im Sattel sitzen. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und döste. Sie fühlte sich geborgen, Frieden war eingekehrt. Ein neues Gefühl, das sie nicht mehr missen wollte. Bald war sie tief eingeschlafen.
    Ragnar brachte seinen Hengst neben Thorgell. Magnus bemerkte die finsteren Blicke seiner Schwester. Sie sagte: »Ich möchte wissen, was du unserem Vater erzählst.«
    »Mutter war bereits in Malek, um sich zu erkundigen, ob jemand von uns dich gesehen hat. Nun wissen alle, daß du vom Hof unseres Vaters weggelaufen bist, um mit ihm zu gehen, Ingunn. Was soll ich ihm sagen? Alle wissen, daß du ihm deine Ehre verpfändet hast.«
    »Ich habe deiner Frau das Leben gerettet.«
    »Das ist richtig. Aber nicht, weil dir etwas an ihrem Wohlergehen liegt; tu also nicht so. Du konntest den Gedanken nicht ertragen, daß Orm sich eine andere Frau nimmt. Du hast befürchtet, er will sie und nicht dich. Hab ich recht?«
    Ingunn schwieg, doch Ragnar warf ein: »Du sprichst hart, Magnus.«
    »Und du sprichst wie ein Blinder. Sieh sie dir gut an, sprich lange mit ihr, und höre die Gefühle hinter ihren Worten, bevor du sie wirklich nimmst.«
    Ingunns Augen weiteten sich. »Was soll das heißen? Mich nehmen? Was willst du damit sagen, Magnus?«
    Magnus hielt den Blick zwischen Thorgells Ohren geradeaus gerichtet. »Ragnar will dich zur Frau nehmen.«
    Ingunn blieb die Luft weg. »Ich will ihn nicht! Er ist ein Rüpel und ein Bauer. Er betatscht jede Frau, die in seine Nähe kommt. Ein Floh ist treuer als er.«
    Magnus Zorn war nun voll entfacht, und Ingunn zuckte unter seinen funkelnden Augen und seinen harten Worten zusammen: »Du wagst es, einem anderen Menschen Treulosigkeit vorzuhalten? Du, die sich an Orm weggeworfen hat. Du wagst es, Ragnar anzugreifen? Er ist ein Mann, keine Jungfrau, deren wertvollstes Gut ihre Unberührtheit ist.«
    »Ist deine liebreizende Zarabeth etwa zu dir als Jungfrau gekommen? Sie war mit einem alten Mann verheiratet und . . .«
    »Hüte deine Zunge, Ingunn! Oder ich erteile Ragnar die Erlaubnis, dir den Hintern zu versohlen. Wir sprechen von dir, und warum nennst du Ragnar einen Rüpel und einen Bauernlümmel? Warum?«
    Ingunn wußte, daß Magnus schnell in Zorn geriet, sich aber auch ebenso schnell wieder beruhigte. Schließlich war er ihr Bruder. »Er ist gemein zu mir«, lamentierte sie. »Er behandelt mich grob und lacht mich ständig aus.«
    »Du klingst wie ein verzogenes, kleines Mädchen. Du verdienst es, schlecht behandelt zu werden.«
    »Er hört nicht auf mich. Es ist ihm egal, welche Qualen ich ausgestanden habe.«
    »Er ist ein weiser Mann. Du hast dir all dein Leiden selber zuzuschreiben. Du drehst einem das Wort im Mund herum, und du schiebst immer anderen die Schuld zu.«
    »Ragnar liegt gar nichts an mir. Er möchte nur in unserer Familie aufgenommen werden. Er ist eitel und ehrgeizig.«
    »Ich verstehe nicht, was er an dir finden kann, aber ich zweifle nicht an seinen Worten. Ich glaube, er hat keine gute Menschenkenntnis. Aber seine Geduld wird auf die Probe gestellt, wenn er dich nimmt, nicht meine — Odin sei Dank. Und was unsere Familie betrifft: Ich sehe nichts Verwerfliches darin, wenn jemand mit uns verwandt sein möchte.«
    »Ich will ihn nicht haben! Vater kann mich nicht zwingen, ihn zu nehmen. Das darf er nicht tun.«
    »Diesmal wirst du tun, was man von dir verlangt, denn du hast unserer Familie große Schmach zugefügt. Ich werde unserem Vater zureden, daß er dich Ragnar überläßt. Ich habe dir keine Zucht und Ordnung beigebracht, Narr, der ich war. Doch Ragnar wird dich Gehorsam lehren. Er wird dich so lange züchtigen, bis du dein loses Mundwerk zu zügeln weißt.«
    Ragnar fing plötzlich an zu lachen. Und Bruder und Schwester sahen ihn beide mit dem gleichen verblüfften Ausdruck an, so daß er noch mehr lachen mußte. Zarabeth wurde unruhig und wachte auf.
    »Was ist los, Magnus?«
    Ihre heisere Stimme machte ihm Sorgen. Er küßte sie aufs Ohr. »Ragnar meint, er kann Ingunn so lange verprügeln, bis sie sich unsterblich in ihn verliebt.«
    »Das kann ich mir wahrhaftig nicht vorstellen, Magnus.«
    »Ich will ihn nicht haben!« zeterte Ingunn.
    Ragnar hörte auf zu lachen. Er ließ die Zügel los, packte Ingunn um die Mitte und drehte sie zu sich um. »Hör mir gut zu, dummes Frauenzimmer. Sag, wer will dich

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