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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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übrigen Haus abtrennte und tauchte ins Dunkel. Gleich darauf kam sie wieder mit Lotti auf dem Arm. Das Kind schlief tief und fest.
    »Mach dir keine Sorgen. Ich habe ihr ein Schlafmittel gegeben. Sie machte solchen Lärm, obwohl sie nur diese absonderlichen Laute von sich gibt. Ständig hat sie deinen Namen gerufen. Ich habe sie nicht geschlagen, obwohl sie mir sehr auf die Nerven gegangen ist. Ich habe ihr nur einen Schlaftrunk gegeben.«
    Zarabeths Zorn stieg wieder hoch, doch sie schluckte ihn hinunter. Sie hatte gewonnen. Sie nahm Lotti und bettete sie sanft an ihre Schulter. »Ich gehe jetzt. Vergiß meine Worte nicht, Toki.«
    Keine zehn Minuten später erreichte Zarabeth den Hafen von York. Dunkle Wolken verhüllten den Mond. Alles schlief, selbst die Gesetzlosen und streunenden Hunde hatten sich in irgendwelche Winkel verkrochen. Nur das sanfte Plätschern der Wellen gegen die Holzplanken war zu hören, nichts sonst. Viele Boote lagen vertäut an den Holzpfählen. Sie rannte jetzt, nur noch von einem Gedanken beseelt: Magnus zu finden, ihm alles zu erklären, mit ihm zu fliehen, und York für immer den Rücken zu kehren.
    Lotti bewegte sich an ihrer Schulter, und sie flüsterte leise auf das Kind ein. Die Kleine schlief wieder ein.
    Zarabeth wollte Magnus Namen laut rufen, aber etwas hielt sie zurück. Etwas stimmte nicht, etwas . . .
    Sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf das Handelsschiff vor ihr. Sie hatte es nie zuvor gesehen. Auf seinem geschwungenen Bug hockte kein geschnitzter Rabe. Wild blickte sie zum nächsten Boot und zum nächsten, vergeblich. Die mächtige Seewind war nicht mehr da.
    Magnus hatte die Stadt verlassen.
    Sie konnte es nicht fassen. Lotti wimmerte, und sie strich dem Kind besänftigend über den Rücken. Er war fort... er hatte sie verlassen. Er glaubte, sie habe ihn betrogen. Er hielt sie für eine treulose, gemeine Lügnerin. Und niemand würde ihn vom Gegenteil überzeugen.
    Plötzlich wußte sie, daß alles vorbei war. Für sie gab es keine Zukunft mehr. Zarabeth sank in die Knie, schlang ihre Arme um Lotti und wiegte sie; dazu summte sie eine klagende Weise, nicht um das Kind zu trösten, sondern sich selbst.
    Als Olav sie fand, graute bereits der Morgen.
    »Ich habe einen Entschluß gefaßt«, sagte Olav. Der Wikinger hatte York vor einem knappen Monat verlassen, und Olav fühlte sich wohl. Zarabeth war wieder wie früher — ruhiger vielleicht, fügsamer, und das war ihm gerade recht, denn er hegte keine Sympathie für scharfzüngige, aufsässige Weiber. Sie kochte und bediente ihn und gehorchte ohne Widerrede. Ihre Unterwürfigkeit behagte ihm.
    Sie blickte ihn nun teilnahmslos an.
    »Ja, ich habe einen Entschluß gefaßt.«
    Lotti sagte ihren Namen in ihrer verschwommenen, lallenden Art. Und Olav warf dem Kind einen ungehaltenen Blick zu. »Kannst du ihr nicht wenigstens beibringen, deinen Namen deutlich auszusprechen?«
    Zarabeth blickte ihn kühl an. »Ich höre sie ganz deutlich.« Und mit einem Achselzucken fügte sie hinzu: »Aber ich bin jung und habe gute Ohren.«
    Olav zügelte seinen Unmut.
    Zarabeth gab Lotti ein weiches Stück Brot, das sie vor einer Stunde aus dem Ofen geholt hatte. Es war noch warm, und sie hatte es mit süßem Honig bestrichen.
    »Was ist mit dir los? Warum bist du so schroff? Willst du meinen Entschluß nicht hören?«
    »Du wirst ihn mir früh genug mitteilen.«
    »Nun gut. Ich habe mich entschlossen, dich zu heiraten.«
    Sie rührte sich nicht, kein Muskel zuckte in ihrem Gesicht. Aber ihr Verstand raste wie wild. Wieso sagte er ihr nicht einfach, daß er sie in seinem Bett haben wollte? Wieso Heirat? Mit ihm das Bett zu teilen war unzüchtig. Ihn zu heiraten war wesentlich schlimmer. Sie blieb stumm, aus Angst, die falschen Worte könnten ihr über die Lippen kommen. Eine Heirat mit ihm war absurd. Sie hielt den Kopf gesenkt.
    »Ich habe mit König Guthrums Ratgebern und mit dem König selbst gesprochen. Es ist mir gelungen, die weichsten Vogelfedern aus Lappland für ihn aufzutreiben. Ich habe ihm einen günstigen Preis dafür gemacht. Dadurch war er mir wohl gesonnen, als ich seinen Rat einholte. Es stimmt tatsächlich, daß eine seiner Konkubinen sein Blut in sich hat. Er dient dem Christengott, läßt sich aber durch keinen Gott, ob heidnisch oder christlich, von seinem Verlangen abbringen. Als ich ihm sagte, ich möchte dich heiraten, da du nicht mit mir blutsverwandt bist, meinte er, nicht einmal die christlichen Bischöfe

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