Im Schatten der Mitternachtssonne
Gerbers beobachtete. Er konnte sie und Magnus deutlich sehen, konnte jedes Wort verstehen, das die beiden sprachen. Sie mußte sehr vorsichtig sein, denn Lottis Leben und ihre Zukunft hingen davon ab.
»Mir ist nicht kalt. Ich bin froh, daß du gekommen bist, Magnus Haraldsson. Ich muß mit dir sprechen und möchte ganz offen zu dir sein. Ich bin gekommen, um dir zu sagen, daß ich dich nicht heiraten möchte. Ich hatte mich in meinen Gefühlen getäuscht. Jetzt ist mir klar geworden, daß ich dich nicht haben will. Und ich möchte dich nicht Wiedersehen.«
Magnus sah ihr bleiches Gesicht, hörte die Spannung in ihrer Stimme. Er nahm ihre Worte nicht ernst. Er verstand sie nicht, und er war nicht bereit, ihr Spiel geduldig mitzumachen. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Was treibst du für Scherze, Liebes? Das gefällt mir nicht. Wir können über vieles lachen, aber nicht darüber.
Es geht um unser Leben, darüber darfst du dich nicht lustig machen.«
»Dein Dünkel ist prall wie die Regenwolken am Himmel, Wikinger. Ich spreche die Wahrheit. Und ich mache keine Scherze. Ich will dich nicht haben und sage dir Lebwohl.« Sie drehte sich auf dem Absatz um, doch er packte sie am Arm und riß sie zurück. Sie spürte seinen Zorn. Er würde ihr glauben, ja, er würde ihr glauben.
Er wirbelte sie zu sich herum. Sehr lange sagte er nichts, sah sie nur an, erforschte ihr Gesicht, ihr Mienenspiel. Sie wünschte, sie könnte ihm die Wahrheit zuflüstern, doch sie schwieg. In ihre Augen stieg Verachtung, und sie hoffte, sie spielte ihre Rolle überzeugend. Sie durfte Lottis Leben nicht aufs Spiel setzen. Sie würde ihm später alles erklären, alles wiedergutmachen. Es mußte ein Später geben. Darum hatte sie den ganzen Vormittag gebetet.
»Da finde ich endlich ein Mädchen«, sagte er mit traurigem Ernst in der Stimme, »das ich zur Frau haben will, und sie sagt mir, sie will mich nicht haben. Mir erscheint diese plötzliche Veränderung in dir sehr seltsam, Zarabeth. Ich wette, du wärst letzte Nacht zu mir auf mein Schiff gekommen, hätte ich darauf bestanden. Leugnest du das etwa?«
Sie wäre vermutlich auf sein Schiff gegangen, dachte sie dumpf, und ein stechender Schmerz sprengte ihr fast die Brust. Sie musterte ihn von oben bis unten und lächelte, das gleiche geisterhafte Lächeln, und sie bemühte sich um einen verächtlichen Tonfall. »Ich bewundere deine Männlichkeit, Wikinger, und hätte vielleicht ausprobiert, was du zu bieten hast. Aber deine Frau werden, York verlassen, um in ein unwirtliches Land zu fahren, in dem es nur wilde Barbaren gibt, die mich wie ein fremdländisches Tier anglotzen? Nein, Wikinger, danach steht mir nicht der Sinn. Ich habe kurz den Verstand verloren, mehr nicht. Es war nichts als eine weibliche Laune.«
Sie zuckte die Achseln, und diese kleine Geste brachte ihn wirklich in Wut, und sie wußte, daß Olav das bemerkte. Es reichte. Sie hatte Lottis Leben gerettet.
Sie wollte sich von ihm losmachen und gehen. Doch Magnus Zorn war furchterregend, und sie zauderte. Sein Griff um ihren Arm verengte sich schmerzhaft.
»Hör mir zu, Zarabeth. Ich glaube dir dieses Schauspiel nicht. Du wirst von Olav bedroht, stimmts? Sag mir die Wahrheit, und ich werde ihm zeigen, was es heißt, dich zu bedrohen.«
Sie schüttelte stumm den Kopf, fürchtete den Mund zu öffnen, da sie nicht wußte, was dabei herauskommen würde. Sie wandte das Gesicht ab. »Olav der Eitle soll mir drohen? Das glaubst du doch selbst nicht, Wikinger. Mir droht kein Mann auf der Welt.« Sie spuckte vor ihm aus. »Nicht einmal du. Und nenn mich keine Lügnerin, Wikinger! Du bist ein aufgeblasener Narr. Laß mich los, denn deine Gegenwart langweilt mich, und dein Griff ist aufdringlich.«
Er schleuderte ihren Arm von sich, und sie taumelte rückwärts. Er starrte sie an, sein Gesicht hart wie Stein. Sein Blick verriet ihr, daß er sie kaltblütig ermorden würde. Jetzt glaubte er ihr wirklich.
Als er endlich sprach, war seine Stimme hart und eisig wie sein Gesicht. »Vielleicht sollte ich dich auf mein Boot schleppen. Ich würde dich nicht enttäuschen, Zarabeth. Aber ich zweifle daran, daß ich Vergnügen an unserer Paarung hätte. Du hast ein hinterhältiges Spiel mit mir getrieben, hast mir die Unschuldige und Verliebte vorgegaukelt. Ja, ich war ein ausgemachter Narr. Doch wenigstens habe ich dich nicht geheiratet.« Er schüttelte den Kopf, und dann lachte er hohl.
»Ich habe mich für den glücklichsten
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