Im Schatten der Mitternachtssonne
dich, Zarabeth! Du lügst mich an, und ich will nichts von dir wissen!«
Zarabeth faßte sich in Geduld gegen Tokis Mißtrauen. »Ich lüge nicht. Ich will Lotti haben. Gib sie mir, und ich verlasse York. Du wirst mich nie wieder sehen. Olav wird Keith freundlicher behandeln. Ich lüge nicht, Toki. Um Himmels willen, warum sollte ich?«
Tokis Abneigung, Argwohn und Neid war eine Mischung aus gleichen Teilen. Wie sie diese Zarabeth, die Tochter dieser ausländischen Schlampe, die sich Olavs Zuneigung erschlichen und den einzigen Sohn aus seinem Herzen verdrängt hatte, wie sie diese Schlampe haßte und wünschte, sie würde endlich gehen, sähe sie am liebsten tot. Toki schüttelte den Kopf.
»Du willst also diesen Wikinger? Dann war alles eine Lüge, was du ihm heute morgen am Brunnen erzählt hast?«
»Ja, um Olav davon zu überzeugen, daß es mir ernst war. Ich mußte Magnus vorlügen, daß ich ihn nicht haben will, um Olav in dem Glauben zu wiegen, ich täte, was er von mir verlangt. Es ist mir gelungen, aber jetzt muß ich mich beeilen, um zu Magnus zu gehen und ihm die Wahrheit zu sagen. Bitte Toki, ich bin in Eile! Gib mir Lotti!«
Die Frau zögerte immer noch. Wenn sie ihr die Mißgeburt aushändigte, würde sie jedes Druckmittel über die Schlampe verlieren. Aber wenn Zarabeth die Wahrheit sagte ... Toki war in Nöten und trank rasch den Rest Bier aus Keiths Krug. Sie wischte sich den Schaum mit dem Handrücken vom Mund und blickte voller Verachtung auf ihren betrunkenen, schnarchenden Mann.
»Toki bitte, denk doch nach! Aus welchem Grund sollte ich dich belügen?«
»Ich habe ja leider kein Kind«, sagte Toki plötzlich mit einer Kopfbewegung zu ihrem Mann, der im Rausch rülpste. »Keith besteigt mich, keucht und ergießt seinen Samen in mich, aber es wächst nichts in meinem Bauch. Bald wird er die Lust daran verlieren. Und ich habe keine Nachkommen vorzuweisen. Aber jetzt habe ich Lotti, und ich finde sie gar nicht schwachsinnig oder närrisch, nicht wirklich.«
Zarabeth hatte den Wunsch, ihre Finger um Tokis Hals zu krallen und zuzudrücken, bis sie das Leben ausgeröchelt hatte. Sie atmete jetzt schwer, ihr Herz schlug hart. Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben, um Keith nicht zu wecken. »Sie gehört dir nicht, Toki. Lotti gehört mir, und daran wird sich nichts ändern. Gib sie mir zurück. Ich habe keine Goldmünzen und keinen Schmuck, um dich zu bezahlen. Ich würde dir alles geben.«
»Wieso sollte ich sie aufgeben? Ich bezweifle, daß Olav dich zu deinem Wikinger fortläßt. Er ist stolz, und er ist unerträglich eitel, aber er ist nicht dumm. Wenn sein Sohn nur ein bißchen von seinem Geschäftssinn geerbt hätte, aber er ist ungeschickt und hört nicht auf mich, auch wenn er weiß, daß ich recht habe. Wir beide sind auf Olav angewiesen, sonst würden wir verhungern. Ich fange an, ihn richtig zu hassen, Zarabeth.«
Zarabeth wußte nicht, ob sie den Vater oder den Sohn meinte. »Gib mir Lotti, Toki. Willst du wirklich die Tochter einer Schlampe haben? Und wieso glaubst du, daß
Olav eines Tages Lotti nicht Keith vorzieht? Das könnte leicht geschehen. Sie ist hübsch wie ihre Mutter. Aber wenn du sie mir gibst, und wir beide fortgehen, will Olav sicher, daß ihr bei ihm wohnt. Er wird dir Sklaven geben, Toki, und du wirst ein schönes Leben haben. Denk doch nur, du wirst edle Wollstoffe und Seiden bekommen, aus denen du dir Gewänder und Umhänge nähen kannst; vielleicht sogar neuen Schmuck.«
Das gierige Funkeln in Tokis Augen erlosch, und sie sagte: »Das glaube ich nicht. Du hast auch keine Sklaven. Er behängt dich nicht mit Schmuck und schenkt dir keine schönen Seidenstoffe für neue Kleider. Er denkt nur an sich. Selbst deine Brosche ist nur aus gehämmerter Bronze. Du trägst keine Ringe, keine Armbänder. Olav behängt sich mit Silber und Gold. Warum sollte er mich reicher beschenken als dich, seine geliebte Zarabeth?«
»Ich weiß nicht. Er hat mir immer gesagt, er habe nicht genug Geld für Sklaven. Und er meint, er muß aussehen wie ein reicher Mann, damit fremdländische Händler Notiz von ihm nehmen und glauben, er habe besonders gute Ware, und es lohne sich, mit ihm Geschäfte zu machen. Ich mache mir nichts aus schönen Kleidern und Schmuck, Toki. Er wird froh sein, wenn ihr bei ihm wohnt, und du ihm das Haus besorgst. Gib mir Lotti.«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Toki und schlug das Bärenfell beiseite, das den Schlafbereich vom
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