Im Schatten der Mitternachtssonne
heute nacht zu betrunken, um mich zu nehmen. Hoffentlich wird dir nicht übel. Denn ich habe keine Lust, dein Erbrochenes aufzuwischen. Gehe jetzt weg.«
Im gleichen Augenblick wich jeder lüsterne Gedanke an seine frisch angetraute Gemahlin. Sein Magen krampfte sich zusammen und drehte sich um. Aufstöhnend schlang er die Arme um seinen Leib, taumelte durchs Haus in den Laden und riß die Tür ins Freie auf. Zarabeth blieb ruhig liegen, flüsterte nur leise in Lottis Haar: »Schlaf weiter, meine Kleine. Er wird uns heute nacht nicht mehr belästigen.«
Am nächsten Morgen fand Keith seinen Vater an die Haustür gelehnt, schlafend wie ein Toter.
8
Olafs Gesicht war grau, seine Augen waren gerötet und tränten. Kalter Schweiß glänzte auf seine Oberlippe. Seine Wangen und seine Kleider hingen schlaff an ihm herunter.
Seine Bauchschmerzen hatten sich verschlimmert, er konnte nicht länger im Laden arbeiten. Er saß den ganzen Tag in der Nähe des Feuers und sah Zarabeth bei der Arbeit zu. Immer wieder stöhnte er auf und eilte nach draußen, die Arme um den Bauch geschlungen. Freunde kamen zu Besuch, doch da er mit ihnen weder trinken noch essen, oder mit ihnen scherzen konnte, da die Krämpfe ihn schweigsam machten, und er an nichts Anteil nahm, kamen sie seltener vorbei, manche blieben ganz fort. Die Frauen besuchten Zarabeth, gaben ihr Ratschläge, warfen Olav traurige Blicke zu und schüttelten die Köpfe.
Olav beobachtete Zarabeth. Es war Mittag, und sie kochte eine fade Suppe für ihn. Haferschleim und weiches Brot für einen alten, zahnlosen Greis, dessen Eingeweide nur stinkende Flüssigkeit von sich gaben. Feuchte Locken umrahmten ihr Gesicht. Sie war sehr in sich gekehrt, nie erhob sie die Stimme gegen ihn, auch dann nicht, wenn er ungeduldig herumlamentierte, vor Schmerz und Angst und hilfloser Schwäche. Er vermochte sie nicht zu begatten, wie ein Mann seine Frau begatten sollte. Und seine Angst wuchs mit jedem Tag.
Lotti spielte zu ihren Füßen, stapelte Brettchen aufeinander, zählte sie laut mit ihrer ekelhaft lallenden Stimme und stapelte sie von neuem. Das Spiel wiederholte sie in einem fort, bis er am liebsten laut geschrien hätte vor ohnmächtigem Zorn; doch er schwieg. Er hatte nicht die Kraft zu schreien.
Hin und wieder beugte Zarabeth sich zu der Kleinen hinunter und streichelte sanft ihr Gesicht, sprach leise mit ihr, lächelte sie zärtlich an. Ihm schenkte sie nie ein freundliches Lächeln. Sie war zwar seine Frau, doch das hatte keine Bedeutung.
Ein böser Krampf ließ ihn aufstöhnen, er taumelte aus dem Raum, vornübergebeugt wie ein alter Mann. Zarabeth hob stirnrunzelnd den Kopf. Seit der Hochzeit vor zwei Wochen war er krank, sah aus wie ein alter Mann, verfiel zusehends, war gebrechlich und abgezehrt und nörgelte an allem herum. Zuerst hatte Olav geglaubt, seine Eingeweide rebellierten gegen die großen Mengen Met und Bier, die er an seiner Hochzeitsfeier in sich hineingeschüttet hatte. Doch die Schmerzen in seinen Eingeweiden hörten nicht auf, und er litt unter Darmblutungen.
Er konnte sie nicht beschlafen. Eines Nachts hatte er ihr befohlen, sich vor ihm zu entkleiden. Er wollte sie anschauen, sie liebkosen; es war sein Recht als ihr Ehegatte. Sie hatte sich strikt geweigert.
Keith und Toki kamen jeden Tag; der Sohn, um seinem Vater im Geschäft zu helfen, und Toki, um über den alten Mann zu lästern und sich hinter seinem Rücken über ihn lustig zu machen. Sie verhöhnte den siechen Greis und seine süße, junge Braut, die er nicht beschlafen konnte, die kein Kind von ihm tragen würde.
Zarabeth rührte in der Suppe und zerdrückte die Rüben, die sie darunter gemischt hatte. Olav konnte die Suppe löffeln und schien mit einigem Appetit zu essen, obwohl er dabei mürrisch in sich hineinfluchte. Sie hatte die alte Unga um Rat wegen Olavs krankem Magen gefragt. Sie hatte ihre schuppige Haut am Arm gekratzt und gemurmelt, Zarabeth solle ihm gestoßenen Knoblauch und geriebene Zwiebel, eingewickelt in gekochte Lorbeerblätter, verabreichen. Zarabeth verursachte die Mixtur Übelkeit, doch sie hatte es damit versucht. Und seltsamerweise hatte sein Zustand sich danach ein wenig gebessert. Inzwischen hatte die Arznei aber ihre Wirkung verloren.
Toki betrat den Raum mit einer Selbstverständlichkeit, als sei sie die Hausherrin. Und das würde sie auch bald sein, wenn Olav starb, da Zarabeth keine Rechte hatte. Olav hatte mit Sicherheit beim Ältestenrat von York bestimmt,
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