Im Schatten der Mitternachtssonne
konnte. Die Seewind war an die achtzehn Meter lang und in der Mitte, wo der Mast befestigt war, etwa vier Meter breit. Im Augenblick gab es wenig zu tun, und die Männer saßen an ihren Rudern und redeten miteinander, ohne sich um die Anwesenheit der Frau zu kümmern.
»Tostig sagt, den Brautpreis, den Magnus für sie bezahlt hätte, hat er in Danegeld dem Sohn des Mannes gegeben, den sie vergiftet hat.«
»Ja, sie hat ihn umgebracht, weil sie es auf seinen Reichtum abgesehen hat. Die Frau ist eine dumme Gans. Ich hätte es geschickter angestellt.«
»Aber der Alte hätte dich nicht geheiratet. Du bist zwar ständig brünstig, aber viel zu häßlich. Und außerdem hast du das falsche Ding zwischen den Beinen!«
Die Männer wieherten vor Lachen. Dann sagte einer: »Hübsch ist sie ja, aber genau so blöde. Erst verführt sie Magnus, und dann spuckt sie auf ihn. Warum tut das Weib so etwas? Aber dafür wird sie teuer bezahlen.«
»Ja, wenn Cyra sie in die Finger bekommt ... Bei Thor, die Frau kriegt jeden Schwanz steif. Die Rothaarige wird noch bereuen, was sie getan hat.«
»Und erst Ingunn. Sie ist eine strenge Zuchtmeisterin und hat eine böse Zunge, obwohl sie aussieht wie ein Unschuldsengel. Die Sklavin wird kein leichtes Leben unter ihrer Knute haben.«
Und so ging es immer weiter. Wer mochte wohl diese Ingunn sein? Wer Cyra war, erinnerte Zarabeth nur zu gut. Auch sie war eine Sklavin, doch sie teilte Magnus' Bett. Es kümmerte sie nicht, welche Frau zu ihm ins Bett kroch, so lange sie es nicht war. Sie würde niemals seine Hure sein.
Die Männer stellten Überlegungen an, wann Magnus sie besteigen würde. Sie erinnerte sich an seine Küsse, an seine zärtlichen Umarmungen. Das war vorbei.
Die Zeit schlich dahin. Sie verließ nur einmal am Tag den Frachtraum, um den Kübel mit Exkrementen zu leeren.
Zwei Tage, bevor sie Hedeby erreichten, erwachte Zarabeth plötzlich und wußte, daß etwas nicht in Ordnung war. Sie schnellte hoch, mit einem Schlag hellwach. Lotti war weg. Ein Schauer der Angst durchfuhr sie, und sie stürzte zum Eingang des Verschlags und blieb mit offenem Mund stehen. Lotti saß auf dem nackten Schenkel eines kleingewachsenen Mannes mit dichtem, schwarzen Bart, den sie Tostig nannten. Lachend zeigte er dem Kind verschiedene Seevögel. In der Nähe des Bootes tummelte sich ein Seehund spielerisch im Wasser. Lotti lachte und gestikulierte begeistert, und die anderen Männer scharten sich um sie. Sie war in Sicherheit. Ihr glänzendes, braunrotes Haar umwehte ihr Gesicht. Zarabeth sah verwundert, wie einer der Männer in die Hocke ging und ihr das Haar zu Zöpfen flocht und dabei so sanft mit ihr umging, daß Lotti kaum Notiz davon nahm. Ein anderer Mann brachte ein Lederband zum Vorschein und band den Zopf zusammen. Lotti streckte ihre Hand nach ihm aus. Er lachte und tätschelte ihre Wange, dann seine Beine, und Tostig setzte ihm das kleine Mädchen auf die Knie.
Zarabeth kam aus dem Staunen nicht heraus über die Behutsamkeit, mit der die Männer mit dem Kind umgingen.
Magnus stand untätig am Steuerruder. Sie begab sich wieder unter die Überdachung, setzte sich und lehnte sich an eine Kiste, in der Schalen und Krüge aus Speckstein verpackt waren, die vermutlich in Hedeby auf dem Markt angepriesen werden sollten. Sie schloß die Augen und hatte den Wunsch zu vergessen, wo sie war, und warum sie hier war.
Er trat so plötzlich ein, daß ihr keine Zeit blieb zu schreien oder zu protestieren. Er stand riesig vor ihr, die Sonne im Rücken. Dann zog er die Tierhäute herunter, und es wurde dämmrig in dem kleinen Verschlag.
»Lotti ist gut bei den Männern aufgehoben. Ich habe es satt, zu warten. Jetzt nehme ich dich, Zarabeth.«
Sie rührte sich nicht, starrte ihn ungläubig an. »Warum?«
Er lachte. »Weil ich keine Lust habe, länger zu warten. Du bist meine Sklavin. Wenn ich dich haben will, nehme ich dich.«
Sie sah, daß es ihm ernst war. Sie wich nach hinten bis zur Schiffswand. »Bitte nicht. Es ist Unrecht . . .«
»Aber ich will! Ich habe viel Geld für dich bezahlt, Zarabeth!«
Sie schüttelte wild den Kopf. »Nein, Magnus. Ich bin nicht deine Hure.«
»Du bist eine Sklavin, und das ist weniger als eine Hure. Und da du die einzige Frau auf dem Schiff bist, muß ich mich mit dir begnügen. Doch ich wüßte gerne, wie viele Männer du vor mir gehabt hast.«
Sie starrte ihn an, diesen Mann, der ihr versprochen hatte, für sie zu sorgen, der sie heiraten wollte, der sie
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