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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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über dem Wasser ragten die Berge wie mächtige Schatten auf, die Gipfel wolkenverhangen. Sie erinnerte sich vage an die wogenden, grünen Hügel ihrer Heimat in Westirland, an die vom Meer aufsteigenden, feuchten Nebelschwaden. Hier war es trocken und warm, und die Landschaft von solcher Schönheit, daß sie am liebsten geweint hätte.
    Sie ließ den Kopf sinken und schluchzte.
    Sie spürte seine großen Hände, die ihre Arme umfingen, spürte, wie er sie an seine Brust zog. Sie schluchzte haltlos, fühlte sich schwach und hilflos.
    Magnus drehte sie langsam zu sich um. Er spürte ihre Tränen, spürte, wie der Weinkrampf ihren Körper schüttelte.
    »Du bist müde«, sagte er nach langem Schweigen. »Du bist müde, und deshalb weinst du.«
    Sie hob den Kopf und sah ihn im Zwielicht an. »Das möchtest du wohl gerne glauben, Magnus.«
    Er beugte sich über sie und küßte sie, schmeckte ihre tränensalzigen Lippen. Ihr Schmerz quälte ihn. Seine Hände strichen über ihren Rücken, seine Finger berührten ihren Hals und fühlten das kühle Eisen des Sklavenbandes.
    Er hatte dem Schmied den Auftrag erteilt, es um ihren Hals zu legen. Er hatte zugesehen, wie er es ihr angepaßt hatte, hatte beobachtet, wie ihr Gesicht immer bleicher wurde, bis jede Farbe daraus gewichen war.
    Sie trug selber Schuld. Sie hatte ihn wütend gemacht, hatte versucht, einen anderen Mann zu verführen. Sie hatte ihm keine andere Wahl gelassen.
    Langsam schob er sie von sich. Ihr Gesicht war tränennaß.
    »Warum hast du mich betrogen? Warum?« Er wich einen Schritt zurück, entsetzt über seine Schwäche, die Pein in seiner Stimme. Wie weit hatte diese Frau ihn gebracht!
    Zarabeth sah die Veränderung in seinem Gesicht, wie die Kälte in seine Augen aufstieg, wie er sich verschloß.
    »Ich habe dich nicht betrogen.«
    »Lügnerin. Geh ins Langhaus und leg dich schlafen. Morgen wartet eine Menge Arbeit auf dich.«
    Er drehte auf dem Absatz um und ließ sie stehen, strebte mit langen Schritten dem Tor im Palisadenzaun zu, redete kurz mit den Wachen und schob den schweren Riegel beiseite.
    Langsam kehrte sie zum Langhaus zurück. Auf dem Fußboden war kein Platz frei. Die Männer schnarchten laut, manche Frauen ebenfalls. Ein Pärchen tauschte Zärtlichkeiten aus, die beiden brachten aber in ihrer Berauschtheit nicht viel mehr zustande. Unschlüssig stand Zarabeth einen Moment herum, dann ging sie zur Kammer, in der Lotti und die Kinder schliefen. Sie schob ihre Schwester ein wenig beiseite, die anderen Kinder rückten im Schlaf willig nach, dann kroch sie unter die Decke. In wenigen Minuten war Zarabeth eingeschlafen, Lotti schmiegte sich wohlig an sie.
    Magnus glaubte, sie habe ihn verlassen. Er musterte jeden Schlafenden in dem großen Raum. Sie war nicht da.
    Er spähte in jede Kammer, Ärger und Angst wuchsen gleichermaßen. Schließlich fand er sie schlafend bei den Kindern. Vor Erleichterung sackten ihm beinahe die Knie weg. Kopfschüttelnd über sich selbst machte er es sich mit einer Decke im großen Raum bequem. Als der Schlaf endlich kam, träumte er von einer Frau, die ihn lockte, ihn auslachte. Als er sie zu sich drehte, hatte sie kein Gesicht. Sie warf den Kopf zurück, und um ihren Hals lag ein Eisenband.
    Die Männer brachen am nächsten Vormittag spät auf, um zu ihren Familien zurückzukehren. Magnus' Eltern und seine Brüder verabschiedeten sich erst nach einem üppigen Mittagsmahl.
    Zarabeth bediente an der Tafel, stumm und fahrig, mit dunklen Schatten unter den Augen. Ihr Kleid war zerknittert und beschmutzt. Magnus fragte sich, warum sie sich nicht gewaschen und frische Kleider angezogen hatte. Ihr Haar hing ihr zu einem schweren Zopf geflochten zwischen den Schulterblättern. Immer wieder wanderte ihr Blick zu Lotti hinüber, die mit den anderen Kindern spielte. Sein Sohn beobachtete das kleine Mädchen, und in seinen klaren, blauen Augen stand Abneigung. Magnus seufzte. Wenn der Junge nur verstehen würde. Sein Bruder Mattias brach ein Stück frisches Brot ab. »Du mußt mit der Frau fertigwerden. So kann das nicht weitergehen.«
    »Es hat doch erst angefangen. Was meinst du eigentlich?«
    »Du gibst mir ungebetenen Rat über meine Frau. Zugegeben, ich habe Glyda letzte Nacht gestattet, sich an meinem Körper zu vergnügen. Ich habe meinen Samen in sie ergossen. Vielleicht bringt sie diesmal ein Kind lebendig zur Welt.« Nach einer Pause fuhr Mattias fort: »Ich bin nicht blind und nicht sonderlich dumm. Deine Blicke

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