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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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barsch: »Genug jetzt, Tochter. Es reicht. Ich höre mir deine Klagen nicht länger an, denn sie zeigen mir das Maß deiner Selbstsucht. Du bist böse geworden, Ingunn. Und du denkst nur noch an dich. Geh an die Arbeit, deine Brüder sind hungrig. Ich werde später mit dir über deine Zukunft sprechen.«
    Es war Helgi, die Zarabeth eine Schale Haferbrei und frisches, warmes Brot brachte. Zu ihrer Überraschung saß die junge Frau angekleidet an der Kante von Magnus Bett. Sie starrte mit leerem Blick vor sich hin, reglos, stumm.
    »Zarabeth, ich grüße dich. Erinnerst du dich? Ich bin Magnus' Mutter.«
    Zarabeth sah sie teilnahmslos an. »Ist es wahr, daß Egill fort ist?«
    »Ja, es ist wahr.«
    »Beide. Egill und Lotti, beide sind fort. Das ist zu viel, Helgi.«
    Zarabeths Gesicht und Stimme waren ausdruckslos. Sie hätte auch über den Haferbrei reden können, der in der Schale dampfte.
    »Komm und iß, Zarabeth. Ich habe dir die Schale gebracht, weil ich glaubte, du seist noch im Bett. Komm, iß.«
    »Muß ich?«
    »Ja.«
    Achselzuckend stand Zarabeth auf. Ihr rotes Haar hing ihr in wilden Lockenkaskaden über Rücken und Brust. Sie sieht aus wie eine heidnische Götterbotin, dachte Helgi, mit ihrem feuerroten Haar, gegen das die roten Fäden ihrer Wandbehänge verblaßten. Doch ihre grünen Augen waren leer und dumpf.
    Zarabeth folgte Helgi aus der Kammer in den Hauptraum. Als sie Magnus neben seinem Vater sitzen sah, blieb sie wie angewurzelt stehen.
    »Ich kann nicht«, flüsterte sie tonlos. »Ich kann nicht.«
    Magnus spürte ihre Gegenwart, bevor er sie sah. Das geschah seltsamerweise ständig, seit er sie zum ersten Mal am Brunnen in York gesehen hatte. Urzeiten schienen seither vergangen zu sein; in Wahrheit waren es jedoch nur wenige Monate. Er fixierte sie und zwang sie stumm, ihn anzusehen. Sie hob den Blick.
    Dann hob sie langsam die Hand an ihren Hals und betastete das Eisenband, das Sklavenband, das er ihr um den Hals hatte schmieden lassen. Und plötzlich riß und zerrte sie daran, als würde es sie erdrosseln. Dabei gab sie keinen Laut von sich. Ihre Bewegungen waren die einer Wahnsinnigen. Alle Blicke richteten sich auf sie, Gespräche erstarben. Magnus erhob sich und trat auf sie zu.
    Er packte ihre Handgelenke, zog ihre Arme weg von dem Eisenband, hielt sie fest. Sie hatte sich die Haut am Hals mit den Fingernägeln zerkratzt. Blut sickerte aus den Kratzwunden.
    »Hör auf!« schrie er.
    Ihr Blick war starr auf sein Kinn gerichtet. »Wenn ich könnte, würde ich dich umbringen.«
    Nun packte ihn die Wut, eine läuternde Wut. Er schüttelte sie so lange, bis ihr Kopf hin und her schaukelte. »Weil ich dir in York das Leben gerettet habe? Weil ich dich und Lotti aus dieser stinkenden Stadt weggeholt habe? Willst du mich deshalb umbringen? Das ist nicht gerecht, Zarabeth.«
    »Was kümmert es mich. Mein Leben hat keinen Sinn mehr.«
    Magnus schloß die Augen und lockerte seinen Griff ein wenig. Sie riß sich los, gab einen schrillen Laut von sich, und ihre Finger zerrten erneut an dem Eisenband. Wieder packte er ihre Arme und zog sie an sich. Er blickte in ihr bleiches Gesicht, in die Tiefen ihrer wilden Augen. »Genug! Komm mit mir. Jetzt sofort.«
    Er zerrte sie aus dem Langhaus.
    Sein Vater hob mit einem fragenden Blick zu Helgi seine buschigen Augenbrauen. Sie schüttelte den Kopf. Ingunn zischte schadenfroh: »Jetzt bringt er sie um. Endlich begreift er, daß sie alles kaputt gemacht hat. Sie hat Egill umgebracht, sie . . .«
    Haralds Stimme war wie ein Donnerschlag. »Halt den Mund, Ingunn!«
    Eldrid begann wieder leise wimmernd zu weinen.
    Helgi stand auf, trat zu ihrer Schwester und legte ihre Arme um sie. Zum ersten Mal seit sieben Jahren.

19
    Zarabeth konnte nicht klar denken. Sie schlug gegen seine Arme, seine Brust, sträubte sich mit aller Kraft gegen ihn, bohrte ihre nackten Fersen in den hartgetretenen Lehm. Doch er verlangsamte nicht einmal seine Schritte. Er war doppelt so stark wie sie, und er war wild entschlossen. Wozu, das wußte sie nicht. Sie kämpfte einfach gegen ihn. Ihr war, als risse er ihr den Arm aus dem Schultergelenk. Und sie kämpfte verbissen. Nachdem er sie aus dem Langhaus geschleift hatte, schrie Magnus: »Rollo! Rollo!«
    Er würde sie töten, das wußte sie. Er holte eine Waffe beim Schmied, mit der er sie töten würde. Sie würde hier in diesem fremden Land sterben durch die Hand des Mannes, der einst geschworen hatte, sie zu lieben, der sie einst zur Frau

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