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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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ans Pult wie ein Löwenbändiger oder wie ein Diktator, sondern wie ein umsichtiger Führer, dem man sich gerne anvertraute. Die Musiker fühlten sich bei ihm bestens aufgehoben und liebten ihn. Die Hektik des Konzertbetriebs lag ihm nicht, auch nicht das viele Reisen. So hatte er sich mehr und mehr auf die Oper konzentriert, und da besonders auf Italien. Die italienischen Opernhäuser profitierten davon, seine eigene Karriere weniger. Trotz seiner großen Fähigkeiten war er international fast nur den Fachleuten bekannt. Aber darüber zerbrach er sich nicht den Kopf.
    Elia tauchte in diese ›Cenerentola‹ ein wie in ein köstlich erfrischendes Seelenbad. Oh, es war wunderbar, einmal nicht sterben zu müssen. In Mailand ging es ihr dafür umso drastischer an den Kragen, bald hatte sie sogar blaue Flecken am Hals. Auch sonst sprang Otello, mit dem sie hier zum ersten Mal sang, nicht gerade rücksichtsvoll mit ihr um, sondern überdeckte sie, und alle anderen auch, kraftmeierisch mit seinen gewaltigen Trompetentönen. Elia ließ es zunächst geschehen, zu protestieren hätte sie bei Marcello Rainardi niemals gewagt, aber sie vertraute auf ihn. Nicht umsonst, er griff zum Glück ein und bändigte das Kraftpaket, sogar ein paarsubtilere Töne wusste er ihm zu entlocken. Ein interessanter, furioser Sänger, dieser Luciano da Monte, aber er brauchte eine strenge Hand. Aber wirklich warm wurde Elia mit ihm nicht. Wenn er sich stimmlich wieder einmal allzu machohaft in die Brust warf, zeigte sie ihm mit ihrer Stimme die Zähne. Dadurch geriet ihr die Desdemona passagenweise widerborstiger, als sie es eigentlich für richtig empfand.
    Am Premierenabend erwartete Elia in ihrer Garderobe ein riesiger Strauß herrlicher nachtblauer Rosen. Auf der beigefügten Karte ein paar Zeilen: »In London werden Sie auch bald Ihr junges Leben aushauchen. Ich kann es kaum erwarten. J. A. H.«
    Danach stand Stockholm auf ihrem Plan. Mit dem ›Maskenball‹. Und mit Carlos! Nach Ferdinands Tod hatte es lange so ausgesehen, als sollte das Projekt nicht mehr gelingen, doch Björn Eksell zuliebe übernahm schließlich Carlos die Partie des Riccardo, und nun konnte es doch realisiert werden. Wenngleich Jahre später, als ursprünglich geplant, und auch nicht als Rollendebüt von Elia, denn inzwischen hatte sie die Amelia schon an anderen Häusern gesungen, sogar mit Carlos.
    Elia als Amelia und Carlos als Riccardo, eine fabelhafte Besetzung, ganz sicherlich, auf die sich die Schweden freuen konnten – leider mehr als die beiden Protagonisten. Aber irgendwie waren sie beide doch froh, dass ihr erstes Wiedersehen nach dem kläglichen Ende am Telefon auf einem so vertrauten Terrain stattfand.
    Elia wohnte wieder bei Birgit, wo sie auch Mariana antraf, die schon vorausgefahren war, die Proben waren bei Elias Ankunft bereits in vollem Gange. Carlos hatte bei Ture und seiner Familie Unterschlupf gefunden, so waren die beiden entzweiten Liebenden unauffällig und gut verstaut.
    Elia hatte erst am Vorabend ihres Probenbeginns nach Stockholm fliegen können und vor lauter Aufregung die halbe Nacht nicht geschlafen. Am Morgen dann Herzklopfenund zittrige Knie. Beim Betreten der Bühne klammerte sie sich an Marianas Arm fest, von Sven Aarquist halb verdeckt lugte Carlos herüber, ängstlich abwartend. Das Schwedengrüppchen auf der Bühne war schnell begrüßt, nur noch Carlos und Elia standen sich gegenüber, dann machten sie im gleichen Augenblick einen Schritt aufeinander zu, unsicher, mit einem verlegenen Lächeln, und umarmten sich. Kollegial, freundschaftlich? Wie auch immer, wieder einmal war etwas nicht ganz so mühsam gewesen wie in ihrer Phantasie.
    In der ersten gemeinsamen Szene war die Amelia ausschließlich auf die Wahrsagerin Ulrica konzentriert, von dem aus seinem Versteck lauschenden und mitleidenden Riccardo ahnte sie nichts. Darüber war Elia heilfroh, in den Probenpausen verschanzte sie sich hinter Mariana, und da sie beide bei Birgit wohnten, erschien es naheliegend, dass sie zusammen heimgingen, ohne Carlos.
    Daran hielt sich Elia in der folgenden Zeit: Nie mit Carlos alleine sein, immer einen Dritten als Puffer dazwischenschieben. Ein trister Plan, den Elia stur verfolgte. Carlos litt unter ihrer starren Haltung, das konnte man ihm ansehen, aber er getraute sich nicht, sie darauf anzusprechen. Im Gegenteil, er nahm sich sehr zurück, sogar noch bei den Orchesterproben, gerade im zweiten Akt, beim Liebesduett Amelia – Riccardo

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