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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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verschwinden wollte, griff Jens Arne hastig nach ihrer Hand: »Liebste, ich hab mich aufgeführt wie ein alter Esel, du hast sicher recht, ich bin ganz einfach eifersüchtig, ich weiß ja, wie sehr du Giancarlo magst und was für ein netter Kerl er ist.«
    Elia runzelte die Augenbrauen und gab ein versöhnliches Knurren von sich. Bloß keinen Streit jetzt!
    Er hätte sich sein abfälliges Gerede von vornherein schenken können, denn als Elia einige Zeit später in Paris mit Giancarloneue Termine ausmachen wollte, war ihr Kalender bereits mit Produktionen besetzt, die sie mit Jens Arne so schwungvoll fixiert hatte: Norma, Lucia, Medea, Abigaille, Gilda, Amelia, Lady Macbeth, Ilia, und so fort, so weit Elia auch blätterte. Dazwischen ein paar vereinzelte Blöcke: Scala, Met, Stockholm. Und ein paarmal Carlos. Manchmal versehen mit einem Fragezeichen. »Irgendwie habe ich da Mist gebaut«, sagte Elia entgeistert und stopfte trotzig einen weiteren Termin in ihren Kalender hinein. Sie, die sonst so großen Wert auf genügend Freiräume legte, fing plötzlich eigenhändig damit an, an dieser heiligen Regel herumzupfuschen.
    Wie schon einmal wohnte Elia in Astrids Pariser Pied à terre in der Nähe der Place des Vosges, denn Astrid lebte inzwischen mit ihrem Bretonen die meiste Zeit auf dem Lande. Elia genoss ihr momentanes Junggesellendasein, sie frühstückte in der Küche, noch im Nachthemd, mit zotteligem Haar. Abends ging sie zum Essen aus, es gab im Marais unendlich viele Lokale und Kneipen, in denen sie auch als Frau alleine gemütlich essen konnte, elsässisch, jüdisch, marokkanisch, italienisch, wonach ihr der Sinn stand. Ja, in Paris ließ es sich angenehm leben. Die ›Manon‹ allerdings hatte ihr Jens Arne madig gemacht, ein wenig kitschig war sie leider, fand nun auch Elia.

Die ›Norma‹ war die erste Oper, die Elia und Jens Arne als Ehepaar zusammen erarbeiteten, und dieser neue Umstand brachte, wie vieles im Leben, Vorteile und Nachteile mit sich. Erstere schienen Elia zu überwiegen, denn es bedeutete einen großen Unterschied, ob sie als Sängerin ganz exklusiv, gewissermaßen rund um die Uhr, mit dem Dirigenten über ihre Arbeit sprechen konnte oder nur bei den Proben. Es blieb nicht nur beim Besprechen, Jens Arne setzte sich an den Flügel, und sie suchten in aller Ruhe gemeinsam nach Lösungen. Diese Klavierproben verlegten sie der Einfachheit halber nach Hause, ganz so, wie es Elia sich seinerzeit erträumt hatte.
    »Ich habe gratis den teuersten Korrepetitor der Welt, und das bei mir daheim«, sagte sie am Telefon zu Mariana, es lag ihr daran, immer wieder zu beweisen, wie gut es ihr mit Jens Arne erging.
    Aber Mariana murrte nur vor sich hin: »Was man halt so gratis nennt.« Von Martina wusste sie nichts Erfreuliches zu berichten: »Wenn du sie noch einmal sehen willst, solltest du bald kommen. Ich glaube, sie wartet sehr darauf.«
    Elia nutzte das nächste probenfreie Wochenende, um nach Rom zu fliegen. Martina lag immer noch zu Hause, aber nicht mehr in dem großen Ehebett, sondern in einem verstellbaren Krankenbett und auch in einem anderen Zimmer, umgeben von medizinischen Apparaturen, Radio, Telefon, Blumensträußen, einer großen Sauerstoffflasche und zwei Wollschäfchen, einem weißen und einem schwarzen, die auf ihrem Nachttisch beieinanderstanden.
    Bleicher kann sie auch im Tod nicht sein, dachte Elia, nur das Blau von Martinas Augen bekam durch die Blässe einen irisierenden, geradezu überirdischen Glanz. Elia und Martina hielten sich lange bei den Händen, sie sprachen wenig, sie brauchten keine Worte, um sich alles zu sagen, was es noch zu sagen gab. Schließlich schloss Martina die Augen. Elia nahm sie vorsichtig in die Arme und flüsterte: »Ich verspreche dir: Ich pass auf Massimo auf.« Martina schlug noch einmal die Augen auf und blickte Elia an, ruhig, voller Vertrauen, wie ein Kind, das nun einschlafen kann.
    Massimo begleitete Elia nach Hause, sie gingen dicht nebeneinander, er legte seinen Arm um ihre Schulter, als suche er Halt. »Martina hat viel gesungen, bis vor Kurzem, es hat ihr gutgetan, sie hat dann wieder mehr Luft gekriegt. Ich habe sie oft begleitet, Monteverdi, Gluck, Caccini, Scarlatti, Händel, die alten Sachen«, erzählte er und versuchte ruhig zu bleiben. »Wir haben alles Mögliche davon aufgenommen, richtig professionell, manchmal auch Duette, zusammen mit meiner Mutter. Die hat Martina auch auf den ›Messias‹ gebracht, zumSchluss hat sie den am

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