Im Schatten der Tosca
gibt es noch genug, was man zusammen machen kann, aber das Private und das Berufliche, das sollte man immer schön auseinanderhalten, das ist meine Erfahrung.« Er nahm Elia an der Hand und ging mit ihr zur Bar: »Nein, keinen Cocktail, zwei Glas Dom Perignon. Immer klare Verhältnisse, nichts vermischen, auch nicht beim Trinken«, sagte er und stieß mit Elia an.
Klarheit, ja. Aber genau die hatte Elia nicht mehr. Jens Arne hatte sie unsicher gemacht. Dabei hatte er ihr zu Anfang doch das Gefühl von Geborgenheit vermittelt, als der erfahrene, liebevolle Mann und Beschützer, nach dem sich wohl jede Frau sehnte. Er hatte sich um sie bemüht, sie verwöhnt, in den Himmel gepriesen und immer wieder betont, wie dankbar erdem Schicksal sei, an der Seite einer zauberhaften jungen Frau erfahren zu dürfen, dass das Leben leicht und schön sein konnte. Fast zu viel Komplimente, aber hatten sie nicht ehrlich geklungen? Jetzt konnte er ohne ersichtlichen Grund plötzlich mürrisch oder gereizt werden, nörglerisch oder, schlimmer noch, kalt und abweisend. Und diese schreckliche Rechthaberei. Hatte er sich erst einmal in etwas verbissen, konnte er gar nicht mehr aufhören, auch wenn Elia der Kopf schwindelte und sie längst nicht mehr wusste, um was es eigentlich ging.
Zu Anfang hatte er sich noch mit Elia geschmückt, der schönen jungen Frau, der Diva an seiner Seite. Aber mehr und mehr wirkte es, als wollte er sagen: »Hier, seht an, was ich aus dieser Frau gemacht habe.« Elia wäre es selbst kaum aufgefallen, erst durch Fulvio wurde sie stutzig, als er ihr zuzischte: »Du bist doch nicht sein Geschöpf! Das Singen hat er dir nicht beibringen müssen.« In der Tat spielte er sich inzwischen als Elias väterlicher Entdecker auf, zu dem sie dankbar aufzublicken hatte.
Von ihren Sangeskünsten schien Jens Arne immer noch überzeugt. Nach wie vor wollte er alle großen Sopranpartien mit ihr besetzen, quer durch die Reihen, von Bellini bis hinüber zu Strauss. Nachdem sie mit der Salome eindrucksvoll zurechtgekommen war, phantasierte er jetzt sogar von der Isolde. Darüber konnte Elia allerdings nur kichern, völlig lebensmüde war nicht einmal sie.
Gewiss, Jens Arne lobte inzwischen noch weniger als zu Anfang, das war Elia schon aufgefallen, aber nicht aus Unzufriedenheit, wie sie zu ihrer Erleichterung begriff, er hatte sich einfach daran gewöhnt, dass sie auch mit halsbrecherischen Schwierigkeiten zurechtkam. Und so hieß es jetzt eben: »Ja, gut, aber hier, das, das könnte man noch besser machen.« Als Perfektionist nutzte er ihren Perfektionsfimmel hemmungslos aus, trieb sie über Stock und Stein und behauptete inzwischen nicht einmal mehr, sie schonen zu wollen. Wozu auch,sie hielt ja allemal Schritt. Doch stets blieb der Ton bei der Arbeit sachlich und korrekt. Sein Genörgel, seine Erziehungsversuche behielt er sich für zu Hause vor, da zeigte er ein anderes Gesicht, kein Wunder, dass Elia nicht mehr wusste, woran sie mit ihm war.
Sie suchte nach Erklärungen, ja Entschuldigungen und bekam gleich ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hatte sie irgendwelche Fehler gemacht. Oder es quälten ihn Sorgen, mit denen er sie nicht behelligen wollte. Nur wenn sie ihn sich so anschaute, wirkte er eigentlich in bester Verfassung. Dafür fühlte sie sich in letzter Zeit ungewöhnlich schlapp, und immer wieder überfielen sie schmerzliche Kopfwehattacken, was sie von sich gar nicht kannte. Manchmal lag sie halbe Nächte wach, auch das war ihr neu. Elia schob es auf die schlechte Großstadtluft – und tatsächlich verschwanden die Beschwerden während der Kreuzfahrt nach kurzer Zeit.
Ja, diese kleine Seereise, offenbar tat sie ihr gut, auch wenn sie nicht ganz so verlief, wie Elia es sich erhofft hatte. Ein Programm wie in einem Luxussanatorium, offenbar ebenso erholsam und gesund – allerdings genauso langweilig. Sie hatte ein geschütztes Plätzchen an Deck gefunden, da gefiel es ihr sehr, besonders nachts, wenn am glasklaren schwarzen Himmel über und über die Sterne funkelten. Von dienstbaren Geistern wohlig in ein Plaid eingewickelt, lag sie auf ihrem Liegestuhl, zwischen Wachen und Träumen. Die Gedanken dämmerten weg, alles in ihr wurde leicht und licht, Sternschnuppen huschten über den Himmel, aber ein Wünschen gab es nicht mehr, kein Hoffen, kein Bangen, nur Ruhe und Stille und Endlosigkeit. Ein magischer Zustand, Elia wohlvertraut.
Doch nicht immer wirkte der Zauber. Am vorletzten Abend, als sich Elia wieder
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