Im Schatten der Tosca
noch nie geschadet.« Damit war die Sache für ihn abgetan; da er Privates sonst nie ansprach, hatte er für seine Begriffe eine geradezu väterliche Fürsorge bekundet.
Weil während ihres ganzen Aufenthaltes in Mailand scheußliches Wetter herrschte, verbrachte Elia ihre freie Zeit weitgehend mit Schlafen und Essen, wodurch sie wieder zu Kräften kam und nicht mehr so blass und angestrengt aussah.
So hatte Mariana, als sie zur letzten Vorstellung in Mailand erschien, an Elias Aussehen nichts mehr auszusetzen, auch die Stimme schien die Londoner Strapazen heil überstanden zu haben. Dafür regte sie sich über Elias Terminkalender auf. Wohin man auch blickte, überall Jens Arne, gleich anschließend eine Reihe von Vorstellungen in verschiedenen europäischen Städten, von Paris bis Wien und im Sommer zum ersten Mal Salzburg. Dazwischen hineingeklemmt auch noch Barcelona, Neapel, New York. Das waren die gefährlichen Folgen der im ersten Überschwang getätigten Planungen mit Jens Arne. Dabei hatte Mariana von jeher Mäßigkeit gepredigt – und auch vor Jens Arnes Überredungskünsten gewarnt.
Aber im Moment half kein Schimpfen, kein Jammern, und so erzählte Mariana von ihren Plänen, den alten Palazzo in der Via Giulia zu renovieren und dann mit Pietro in den Piano Nobile umzuziehen, um Massimo das obere Stockwerk zu überlassen. Zwar graute Mariana vor der vielen Arbeit und auch vor dem Wechsel, denn sie liebte ihre Wohnung innig, aber für Massimo war es mit Sicherheit besser, wenn er aus der pompösen Gruft seiner Großeltern herauskam, wo ihn alles an Martina erinnerte. »Dann sind wir zwei Alten da, wo wir jetzt hingehören, und Massimo kann versuchen, sich sein Leben neu einzurichten«, sprach sich Mariana Mut zu.
Die Gastspielreise mit Jens Arne verlief friedlich, auch wenn sie recht anstrengend war, zumal sich der Husten wieder rührte. In Wien ließ sich Elia von einem Spezialisten den Hals auspinseln und Aufbauspritzen verpassen. Sie selbst fand das zwar übertrieben, aber Fulvio riet ihr dazu, er war rührend besorgt um sie. Er hatte sich in der Zwischenzeit auch um Sisi gekümmert. Sie bekam Karten, wann immer sie wollte, und durfte im ›Rosenkavalier‹ sogar als adelige Waise mitwirken, alles unter dem Namen ihrer Mutter, darauf legte Sisi großen Wert.
Jetzt kam auf Elias Betreiben auch ein Treffen von Vater und Tochter zustande, flankiert von ihr und Fulvio. Aber die beiden hatten sich wieder nicht viel zu sagen, die Gleichgültigkeit war Jens Arne ins Gesicht geschrieben. Einen kleinen Hieb verpasste sie dem Vater aber doch. Sie hatte gerade ihre Schule beendet und wollte jetzt ihren Bruder in New York besuchen. »Der Rudi spielt in einer Bar in Soho, vielleicht kann er mir einen Job besorgen, als Kellnerin oder so, ich glaube, New York ist ganz schön teuer.« Jens Arne biss tatsächlich an, empört rief er aus: »Eine Schande, mein Sohn tingelt in einer Kneipe, bei seiner Begabung, wie kann er mir das antun!«
Mein Gott, hier war allerhand schiefgelaufen. Elia winkte dem Kellner und bat um ein Briefkuvert, dann nahm sie ihren Geldbeutel aus der Tasche, steckte alle Scheine in den Umschlag und überreichte ihn Sisi mit einem herzlichen Lächeln: »Das ist mein Geschenk für dein prima Abitur. Und dein Vater will dir noch einen Scheck ausstellen, so wie ich ihn kenne.« Vater und Tochter machten vor Verblüffung die gleichen dummen Gesichter, wieder fiel es Elia auf, wie ähnlich sie sich sahen. Jens Arne zog mürrisch sein Scheckheft hervor, und weil ihn alle erwartungsvoll anstarrten, schrieb er einen für seine Begriffe unverhältnismäßig hohen Betrag aus, ein paar tausend Schilling immerhin: »Hier, ja, natürlich, die Matura, gratuliere.« Sisi fiel Elia zum Dank um den Hals, den Scheckdes Vaters steckte sie verlegen ein und stammelte: »Oh, mein Gott, ja, danke.«
»Fürs Erste muss Sisi jetzt nicht Kellnerin in einem finsteren Nachtlokal werden«, konnte sich Fulvio nicht verkneifen. Beim Abschied drückte er Elia fest an sich: »Pass gut auf dich auf, Elia.«
Als sie allein waren, meinte Jens Arne irritiert: »Was soll denn das, so ein Wichtigtuer, dir fehlt doch nichts, und schließlich bin ich auch noch da.«
Elia zuckte die Achseln: »Fulvio ist ein lieber Freund und kennt mich seit Ewigkeiten. Lass ihn doch, soll er sich Gedanken machen, so viel er will.« Sie zögerte einen Augenblick, dann überwand sie sich: »Interessiert es dich eigentlich gar nicht, was deine Tochter
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