Im Schatten der Tosca
etwas«, gestand Massimo. »Aber in meinem Kopf tobte es, die Gedanken waren weg, sogar die Sprache. Nichts war mehr da. Nur noch Hass. Roter, glühender Hass, ich bin fast geplatzt. Plötzlich hat es in mir gehämmert: ›Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich.‹ Auf Schwedisch! Ich hätte es herausschreien mögen, aber vor mir murmelten ein paar alte Weiber ihren Rosenkranz. So hab ich nur mit den Zähnen geknirscht und die Fäuste geballt: ›Ich hasse dich, ich hasse dich, Gott.‹ Zuerst hat mir mein Zorn geholfen, aber ich hab’s nicht durchgehalten, die Angst hat mich weichgeklopft. Ich habe an Martinas Bett gesessen, ich hatte ihr eine Spritze gegeben wegen ihrer Schmerzen, jetzt schlief sie: Und wenn Gott sie jetzt statt meiner bestraft! Ich habe angefangen, mit ihm zu handeln, zu winseln und zu flehen, keine Ahnung, wie lange, vielleicht ein paar Minuten oder eine Ewigkeit. Und plötzlich war nur noch Liebe, Martinas Liebe, meine Liebe, und seine auch, ja.«
Eine Weile schwiegen sie, endlich fragte Elia: »Glaubst du, dass du irgendwann eine andere Frau lieben kannst?«
Massimo zögerte: »Im Moment kann ich mir das nicht vorstellen. Aber die Zukunft kennt keiner. Und bei der Liebe ahnt man nie, was die macht. Das weißt du ja selbst.« Elia schlug die Augen nieder. »Du musst nicht antworten«, sagte Massimo leise, »aber irgendwas stimmt doch nicht. Was ist los mit dir? Mit dir und Jens Arne?«
Elia zog die Schultern hoch: »Ich weiß es nicht.« Sie sah Massimo an und fuhr fort: »Wenn wir zusammen arbeiten, ist alles in Ordnung, mehr oder weniger, es geht schon. Aber zu Hause, da ist alles so kompliziert, so ungemütlich, jedes Wortmusst du auf die Goldwaage legen, sonst wird gleich an dir rumgekrittelt.«
»Liebst du ihn noch?«, fragte Massimo weiter, und Elia sagte wieder: »Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.« Massimo ließ nicht locker: »Aber zu Anfang, zu Anfang hast du ihn geliebt?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht mehr. Doch, ja, ich habe ihn geliebt«, war die hilflose Antwort.
Massimo nickte: »Ja, vielleicht hast du es so haben wollen. Und Jens Arne auch.«
Elia schaute ihn überrascht an. Massimo kannte Jens Arne nicht persönlich, er wusste nur, dass seine Mutter von Anfang an Bedenken gegen ihn gehabt hatte. Als könne sie seine Gedanken lesen, bat Elia: »Sag Mariana lieber nichts.«
Vielleicht war es einer der kleinen Späße, die das Schicksal gerne mit den Menschen machte, dass Elia gerade jetzt in das Hohe Lied der Gattenliebe mit einstimmen musste. Und doch, Beethovens verzweifelte Hoffnung auf den Sieg von Liebe und Gerechtigkeit glühte auch in ihrem Herzen. Unter Georges Goldberg geriet das Glühen zur Flamme. Er war der Schamane und setzte alle in Brand, die Solisten, den Chor, das Orchester, er lehrte sie die Inbrunst und die Demut, die es für eine Beschwörung brauchte, damit sie die Götter überhaupt erreichte.
Elia kam mit vielen neuen Eindrücken und frischem Mut zurück aus New York. Nun wollte sie den Schwung nutzen und Ordnung in ihr Leben bringen, so ehrlich, wie irgend möglich. Die Gespräche mit Massimo hatten sie nachdenklich werden lassen, vor allem eine Bemerkung von ihm über ihre Liebe zu Jens Arne ging ihr nicht aus dem Kopf.
Wer weiß, vielleicht hatte sie sich ihre Liebe zu ihm tatsächlich eingeredet. Es gab sicher tausend Gründe dafür – um wegzukommen von Carlos, aus Angst vor dem Alleinsein, weil ihr Jens Arnes Art, ihr den Hof zu machen, gefallen undgeschmeichelt hatte ... Aber war es nicht genauso gut möglich, dass sie sich jetzt ihr Unglück einredete? Was war denn so Schreckliches passiert, seitdem sie mit Jens Arne zusammenlebte? Gewiss, er konnte sehr kühl und rechthaberisch sein. Aber musste man darum gleich so verzagen? Vielleicht war sie einfach überempfindlich, zu gefühlsbetont und hatte verstiegene Vorstellungen von einer guten Ehe? Hand in Hand und Herz an Herz, ineinander verknäuelt, keine Geheimnisse voreinander. Im Grunde wie in einem Kitschroman! Hatte Jens Arne nicht recht, wenn er da nervös wurde?
Offenbar hatte auch Jens Arne Überlegungen angestellt und beschlossen, Kreide zu fressen. Er hatte während Elias Aufenthalt in New York die ganze Zeit in London verbracht, und nach einigen Tagen fiel ihm auf, dass er lieber im Club aß, als ständig allein, nur in Gesellschaft seines stummen Butlers, in dem prunkvollen Speisezimmer sein Mahl einzunehmen – so, wie er es früher
Weitere Kostenlose Bücher