Im Schatten der Tosca
gerne gemacht hatte. Auch der Salon erschien ihm plötzlich reichlich kahl, und im Musikzimmer herrschte eine geradezu peinliche Ordnung, niemand streute mehr seine Noten herum.
Ja, Elia fehlte ihm. Auch ihr Lachen. Georges Goldberg war von allen seinen Kollegen der gefährlichste Konkurrent, und mit dem ›Fidelio‹ hatte er ein magisches Netz nach Elia ausgeworfen.
So kam es, dass Elia und Jens Arne mit den allerbesten Vorsätzen aufeinander zugingen und er sogar ein Wochenende auf dem Landgut vorschlug: »Wir fahren jetzt längere Zeit weg, da sollten wir uns doch noch von Adonis und Genoveva verabschieden.« Eine kleine Spazierfahrt mit der Kutsche, ein Plausch vor dem Kamin, am Abend Zärtlichkeiten. Dann wurden in London die Koffer für Salzburg gepackt. Elia war noch nie in Salzburg gewesen, jetzt war sie neugierig auf die berühmte Stadt und die Festspiele. Mit ihrer Elisabeth hatte sie einen würdigen Einstand. Wie sehr sie diese Rolle liebte, war ihr in Barcelona wieder bewusst geworden. Die Elisabethschien ihr aus einem ähnlichen Holz geschnitzt wie die Leonore. Elia war froh, dass sie es nicht gleich wieder mit einer ihrer schrillen, ungestümen Heldinnen zu tun bekam.
Sie flogen nach München, von wo aus sie eine bequeme Limousine durch eine grasgrüne, hügelige Landschaft Richtung Süden kutschierte. Immer höhere Berge tauchten auf, ein prachtvoller See, und irgendwann bog der Fahrer von der Autobahn ab. Eine Zeitlang ging es über eine Landstraße, dann eine Schotterstraße hoch, bis der Wagen vor einem schlossartigen Gebäude hielt. Es war Rebeccas pompöse Landhausvilla, die Jens Arne alle Jubeljahre bei längeren Aufenthalten in Salzburg als Quartier benutzte.
Elia machte große Augen. Nach Jens Arnes knapper Beschreibung hatte sie sich ein verwunschenes Knusperhäuschen vorgestellt, und nun stand sie vor einer Art Ritterburg, wie sie sich ein Millionär aus Texas ausgedacht haben mochte.
»Es ist gemütlicher, als es aussieht. Und die Lage ist sehr hübsch«, sagte Jens Arne.
Die nächste Überraschung war Salzburg. Dort war der kleine Mozart herumgesprungen, seine Füße hatten die alten Pflastersteine berührt und seine Augen die Häuser und Paläste, die Kirchen und droben die Festung gesehen, so, wie jetzt noch alles dastand. Aber Elia bekam kein Zipfelchen der kleinen Gestalt zu fassen.
Durch die engen Gassen schob sich ein zäher, buntgescheckter Touristenbrei, das Schlurfen der Füße erzeugte ein scharrendes Geräusch. Überall Mozartkugeln, Mozarttaler, Mozartcafés und Mozartapotheken, wahrscheinlich gab es auch Mozartunterwäsche und Mozartkopfwehpillen. Zur Abwechslung entdeckte Elia ihr eigenes Konterfei hier und da zwischen Würsten und Hefezöpfen, auch die Fotos anderer Künstler schmückten die Auslagen, Jens Arnes Bild prangte unter einem gamsbartbestückten Sepplhut. Und ein Geschiebe war das, ein Gelärme, Pferdegetrappel, Gedudel aus Plattenläden, Autohupen, Sprachfetzen aus aller Welt. Elia warfroh, als sie mit Jens Arne in die Stille und Kühle des Festspielhauses entkam. Dort verbrachte sie viele friedliche Probestunden.
Anschließend ging sie entweder mit den anderen Sängern in ein einfaches kleines Lokal, wo es besonders gute Knödel und tellergroße, hauchdünne Wiener Schnitzel gab, oder sie fuhr mit Jens Arne hinaus aufs Land, wo sie unter Kastanienbäumen aßen, während auf der Wiese nebenan die Kühe grasten und mit ihren großen Glocken bimmelten. Er donnerte mit seinem roten Porsche, den er auch sonst gelegentlich auf dem Festland benutzte, über die Straßen. Elia hingegen hatte es ein alter Mercedes 190 SL angetan, der offenbar seit Jahr und Tag in der Remise vor sich hin verstaubte, aber gleich auf Anhieb brav gestartet war.
Bei den ersten Proben auf der Festspielbühne erwartete Elia eine weitere Überraschung, eher schon ein kleiner Schock: Die Bühne war so groß und vor allem so breit, dass man den Wald von Fontainebleau darauf hätte aufbauen können. Zum Glück schien das eher ein Problem für den Bühnenbildner und den Regisseur, aber am allermeisten für den Vorhangzieher, der schon in den letzten Takten mit dem Schließen anfangen musste. Aber die Akustik erwies sich als gut, und so machte es Elia Freude, mit einem erlesenen Sängerensemble und den Berliner Philharmonikern unter der fürsorglichen Leitung von Jens Arne nun in Salzburg singen zu dürfen.
Ja, Elia hatte sich gut eingelebt, auch wenn sie das Getümmel um das Festspielhaus
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