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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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gefährliche Orte: In ihrer Aufregung und Angst verplapperten sich dort die Leute, zumal durch die gemeinsame Bedrohungeine Art Zusammengehörigkeitsgefühl zu entstehen schien und man fälschlicherweise glaubte, auch die anderen hätten die Nase voll und begriffen, wer ihnen diese Suppe eingebrockt hatte.
    Solange Mariana in Schweden war, wusste sie immer recht gut Bescheid über die allgemeine Kriegssituation, auch wenn sie manchmal zu Birgit sagte: »Wenn ich noch viel höre, dann habe ich gar keinen Mut mehr loszufahren.« Doch wenn sie dann in Deutschland herumreiste und arbeitete, hatte sie keine Zeit und auch keine Lust mehr, sich ausführlich zu informieren. So wusste sie lange nichts von der ständigen Propagandaberieselung, die auf die Deutschen niederging und sie aufhetzte und in Furcht und Schrecken versetzte.
    Nur auf Marianas geliebter Gänsheide schien alles ein wenig anders als sonst wo. Aus Anhänglichkeit sang Mariana immer noch ab und zu an der Stuttgarter Oper, für sie waren das ein paar kurze, glückliche Ferientage. Je nachdem, wie es sich gerade ergab, wohnte sie bei Lilli oder bei Elsbeth, sie fühlte sich dort zu Hause, sie schlief aus, las viel, werkelte im Garten, ging spazieren, und immer führte sie ihr Weg hoch zum Frauenkopf, zu ihrem Freund Loro. Der legte erst einmal den Kopf schief, wenn sie zur Tür hereinkam, äugte zu ihr hinüber, war sie es auch wirklich? Dann aber ging es los, er hüpfte und sprang, er schlug mit den Flügeln, plusterte sich auf, »Ana, Ana, Ana«, gurrte und krächzte er. Ach, was gab es nicht alles zu erzählen, endlos zu kraulen und zu knabbern! Irgendwann schlurfte die alte Bedienung herbei, der Konditor tauchte auf, die Wirtin. »Bis zum nächsten Mal, bis zum nächsten Mal. Oh ja, oh ja.«
    Am Abend dann heulten die Sirenen, Rainer tranchierte gerade ein zartes Stück Tafelspitz, das Mariana aus Wien mitgebracht hatte. Hier oben über der Stadt wird nicht viel passieren, dachte Mariana und wollte in aller Ruhe weiteressen, da schoss Lilli schon hoch, ergriff ein neben der Türe bereitstehendes Köfferchen, schnappte sich ihren Mantel und eilte mitklappernden Absätzen in den Keller, dicht gefolgt von Fräulein Paula, die es in ihrer Küche auch nicht mehr aushielt.
    Auf der Treppe begegneten sie einer jungen Frau mit ihren beiden Kindern, einem blondbezopften Mädchen und einem halbwüchsigen Jungen, die in Marianas ehemaliger Wohnung lebten. Die Mutter schleppte einen Koffer und ein paar Decken, die Kleine hatte zwei Käthe-Kruse-Puppen im Arm und einen abgegriffenen Stoffelefanten, und der Junge trug einen mit einem seidenen Tuch bedeckten Vogelkäfig, der so groß war, dass er nicht darüber hinwegblicken konnte und sich darum vorsichtig Fuß für Fuß die Stufen hinuntertasten musste. »Wenn du willst, tauschen wir«, sagte Rainer, der nur eine rote Saffianledermappe mit einem halbfertigen Manuskript bei sich hatte. Der Junge bedankte sich und erklärte, die Vögel müssten mit in den Keller, weil ihnen sonst bei Luftminen durch den Druck die Lungen platzten. »Auch großen Papageien?«, fragte Mariana erschrocken. »Ja klar, und wie. Alle Vögel sind sehr empfindlich«, beschied der Junge.
    Unten im Keller verspeisten die Kiderlens ihr restliches Abendessen, Elsbeth hatte zwei Geigenkästen neben sich liegen, Katharina hielt die Katze Mona auf dem Schoß. Sie gähnte gelangweilt, als der Käfig mit den Vögeln an ihr vorbeigetragen und vorsichtshalber in einem abgetrennten Kellerabteil abgestellt wurde. Durch das Gerüttel waren die Wellensittiche aufgewacht und fingen unter ihrem Tuch an, leise vor sich hin zu schwatzen. Mariana sorgte sich um ihren Papagei und versank in Gedanken.
    Eine silberhelle Frauenstimme ließ sie aus ihrer Versenkung hochschrecken: »Die feindlichen Fliegerverbände befinden sich im Anflug auf den Großraum Stuttgart. Die Bevölkerung . . .« Hier wurde die Stimme von Lilli abgewürgt: »Aus, aus, ich kann es nicht hören!« Mariana hatte gar nicht bemerkt, dass sich in der Ecke, wo Lilli und Fräulein Paula steif und verkrampft auf ihren Stühlen saßen, auch ein Radio befand.
    Während sie sich noch über die gute Kellerausstattung wunderte, rumpelte es oben an der Kellertür. Eigentlich, so hatte Mariana gedacht, waren alle Hausbewohner inzwischen hier unten versammelt, doch nun ging die Kellertür noch einmal auf, und ein untersetzter Herr um die fünfzig schnaufte herein. Speckige, wirre Strähnen umstanden seinen

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