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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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einen blonden BD M-Trampel verliebt und mich vor die Tür setzt, mach dir mal keine Sorgen um mich«, flüsterte sie. »Ein paar Wichtigtuer schikanieren ihn, aber im großen Ganzen lässt man das verrückte Künstlervölkchen hier oben in Ruhe.«
    Bei den Kiderlens drunten wurde die Schließung der Waldorfschule bejammert: »Katharina ist jetzt so schrecklich schlecht in der Schule. Alles, was sie bis jetzt gelernt hat, zählt nicht mehr, es geht nur noch um Orthografie und ähnlich banales Zeug.« – »Warum hört sie nicht auf mit der Schule, sie wollte doch Musik studieren?«, fragte Mariana. »Sie hat einen hübschen Sopran. Aber sie hasst hohe Stimmen, sie will singen wie du, und jetzt weiß sie nicht so recht, was sie machen soll«, erklärte Elsbeth. »Nicht zu fassen, alles wiederholt sich«, wunderte sich Mariana und erzählte, wie sehr sie lange Zeit unter ihrer tiefen Stimme gelitten hatte.
    Zum Abschluss besuchte sie tatsächlich Andreas. In der allerersten Überraschung zeigte sich auf seinem Gesicht das alte charmante Strahlen. Doch dann wurde er gleich förmlich: »Oh, welch eine Ehre, einfach reizend. Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen? Das ist Mariana Pilovskaja, eine wunderbare Sängerin. Ich habe sie in ihrer Anfängerzeit sehr bewundert.« Nun gut, wenn du dieses scheinheilige Getue für richtig hältst, dachte sich Mariana. Die Ehegattin schien immer noch dieselbe zu sein, allerdings sah sie inzwischen noch verbitterter aus. »Besser, sie begreift nicht, wer du bist. Sie hat immer Angst, dass ich mich als Augenmensch in schöne Frauen verliebe«,sagte Andreas und grinste spitzbübisch. »Wie geht es dir, darfst du wirklich nicht mehr malen?«, fragte Mariana irritiert. »Nein, aber wen interessiert das schon? Und sonst? Bei mir ist alles beim Alten, wie du siehst«, antwortete Andreas zweideutig. Ein immer noch gutaussehender, charmanter Mensch, aber seine Munterkeit wirkte aufgesetzt, irgendetwas stimmte nicht. »Dein Bild ist schon auf der ganzen Welt rumgekommen. Ich nehme es auf meinen Reisen immer mit«, sagte Mariana.
    Wahrscheinlich brachte ihn das aus der Fassung. Zum ersten Mal sah er Mariana voll in die Augen. Es war so viel Traurigkeit in seinem Blick, dass Mariana wegschauen musste. »Das ist schön, dass du mir das sagst. Ich war so feig, ich hab dich so viel angelogen, da musst du mir jetzt auch nicht glauben. Aber ich habe dich wirklich geliebt«, murmelte Andreas, Mariana konnte ihn kaum verstehen. Etwas deutlicher fuhr er fort: »Abends geh ich hinüber zum Ortsgruppenleiter und sauf mit ihm. Der Obernazi und der Schmierant. Tagsüber male ich in meinem Atelier, wo sonst, in aller Heimlichkeit, versteht sich, offiziell habe ich Malverbot. Den paar Freunden, die sich noch für meine Arbeiten interessieren, erzähle ich, es seien alte Bilder. Pass auf dich auf, Moggele, ganz so verträumt und kunstnärrisch wie hier in unserem komischen Viertel sind nicht alle.« Andreas’ Frau kam wieder herein. Sie hielt ein altes Rollenfoto von Mariana in der Hand und sagte seelenruhig: »Würden Sie das bitte auch für mich signieren?« Mariana nahm das Bild, es zeigte sie als schmucken Prinzen Orlofsky, darunter prangte schwungvoll: »Für meinen Andreas, ewig deine Mariana.«
    Marianas Beklommenheit war mit einem Mal verflogen, sie musste lauthals lachen. Andreas wurde zuerst blass und dann rot und stammelte: »Ich hätte es dir nachher gesagt.« Komischerweise klang es sogar ehrlich. »Ja, warum auch nicht?«, rief Mariana, und noch schwungvoller, als vor Jahren, fing sie an: »Und für . . .«, dann merkte sie, dass sie denNamen vergessen hatte. »Gerlinde«, half ihr Andreas weiter. »Und für Gerlinde. Toi, toi, toi, uns allen vom Gänsheide-Völkchen.«

    Wie viele erfolgreiche Künstler besaß Mariana zwei Eigenschaften, die auf den ersten Blick grundverschieden und unvereinbar wirken mochten, sich in Wahrheit jedoch ergänzten, sich ausglichen, gegenseitig unterstützten: ungewöhnlich robuste, strapazierfähige Nerven und eine große Empfindsamkeit. Eine Mischung, die ihr so viel Kraft und inneren Halt gab, dass sie sich, ohne angstvoll bremsen zu müssen, in lichte Himmelssphären hinaufschwingen und in düstere Grabestiefen hinunterwagen konnte. Im Grunde ruhte sie in sich, so schnell brachte sie nichts aus dem Gleichgewicht. Es sei denn, eine finstere, unwägbare Gewalt brach von außen in ihr Leben ein. Zum Beispiel der Krieg.
    Den ersten Weltkrieg hatte Mariana nur aus der

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