Im Schatten der Tosca
lustig fand, bildeten auch hier eine Klasse für sich.
Schon dass sie sich in ihren Cadillacs, Chevis, Pontiacs und sonstigen »Amischlitten« von ihren Chauffeuren zum Festspielhaus fahren ließen, während normale Menschen entweder kein Auto besaßen oder in der engen Altstadt lieber zu Fuß gingen, wurde heftig bestaunt, und Rebecca erhielt von den Zaungästen beim Verlassen ihres schwarzen Rolls-Royce ehrfürchtigen Applaus.
Ihre Auftritte setzte sie sorgfältig in Szene. Erst wenn fast das gesamte Publikum saß, betrat sie den Saal und schritt am Arm eines schönen Begleiters zu ihrem Platz, Mitte rechts in der sechsten Reihe. Dort blieb sie noch einen Augenblick stehen, schaute wie suchend ins Publikum, lächelte kurz hierhin, dorthin, schenkte ihren Lieblingen ein Wedeln mit der Hand, dann endlich ließ sie sich nieder, und das Licht im Saal konnte erlöschen. Wo andere Damen sich mit einer kleinen Nerzstola schmückten, reichten ihre Capes und Mäntel mindestens bis zum Boden, allein für ihren seidenzarten Chinchillamantel hatte eine Pelztierfarm zwei Jahre lang die makellosesten Felle sammeln müssen.
Nach den Aufführungen dinierte der ganze Pulk mit Vorliebe in einem rustikal eingerichteten Kellergewölbe, wo es zuPhantasiepreisen kleine Portionen österreichischer Schmankerl gab. Meist stieß irgendwann Jens Arne dazu, allerdings verschwand er nach kurzer Zeit wieder. In diesem Jahr erschien er von vornherein nur äußerst selten.
»Ob sie was ahnt?«, rätselten Mariana und die Ihren. »Ich glaube nicht. Da sie und ihre Entourage keinen Schritt zu Fuß tun, kann der lieber Jens Arne in aller Seelenruhe mit seiner Waldfee herumspazieren«, schmunzelte Pietro. Ach, wie schön, endlich wieder ein richtiger Klatsch. Wie würde es weitergehen? Nach den Festspielen war es wohl aus mit der Idylle. »Hoffentlich fällt die Kleine nicht rein auf den verkorksten Kerl«, regte sich Erna auf. Auch Mariana und Astrid wünschten es ihr von Herzen.
Zu Hause in Rom hatten Pietro und Mariana andere Sorgen. Es ging um Pietros Eltern, die nicht mitgefahren waren nach Salzburg. Schon einmal, vor einigen Jahren, hatte Massimo seinen Vater gefragt: »Warum wohnen wir eigentlich nicht bei den Großeltern?« Doch der hatte fast schockiert geantwortet: »Da würden wir nur stören.« Der Palazzo war so etwas wie ein Familienmuseum, dort residierten die hochverehrten Alten zwischen den ererbten uralten Möbeln, Gemälden, Gobelins, Trophäen, im Übrigen aber ganz so, wie es ihnen beliebte. Jede Generation hielt das anders, und nie mischte sich jemand ein, die Kinder und sonstigen Verwandten ging das überhaupt nichts an.
Jetzt aber stellte sich für Pietro und Silvana doch die Frage, ob sie die klapprigen Eltern weiterhin allein ihrem Schicksal überlassen konnten. Gewiss, da gab es die Köchin und das Zimmermädchen und den Hausmeister, aber die waren selbst schon alt und umständlich und kamen mit überraschenden Situationen wahrscheinlich nicht mehr zurecht. »Vielleicht könntet ihr ins obere Stockwerk ziehen«, meinte Silvana unsicher zu ihrem Bruder, aber der zögerte auch: »Wie soll ich das den Eltern beibringen. Vielleicht hat Mariana gar keineLust. Und überhaupt, man müsste sich den alten Kasten mal anschauen, gibt’s da oben eigentlich Wasser und Strom und eine Heizmöglichkeit?« Nicht einmal das wusste er – vor lauter Respekt und Diskretion.
Massimo nahm die Angelegenheit schwungvoll in die Hand, und siehe da, die alten Herrschaften waren sehr erleichtert, sie hatten nur nicht gewagt, von sich aus den Vorschlag zu machen. Auch Mariana rief nur verwundert: »Warum nach zwanzig Jahren Ehe nicht auch mal gemeinsam unter einem Dach leben?« Und die Räume, kaum waren die verdüsternden Läden aufgestoßen, erstrahlten in einem verstaubten Liebreiz. »Wie ein verwunschenes Märchenschloss«, so befanden alle. Sogar der uralte Hund, der ächzend mit ihnen getappt war, wedelte freudig erstaunt mit dem Schwanz, als ein Sonnenschwall plötzlich seine graue Schnauze beschien.
»Komisch, wie groß und hell die Zimmer sind. Dagegen ist meine Dachwohnung die reinste Hundehütte, vom Gartenhäuschen ganz zu schweigen. Mir kam das immer eng und dumpf und düster vor, wenn wir früher als Kinder zwischen den verhängten Möbeln herumgekrochen sind und Verstecken gespielt haben«, sagte Pietro verwundert zu seiner Schwester. Der ging es genauso, sie war hocherfreut über den guten Zustand der Räume: »Schau mal, die
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