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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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bis an ihr Lebensende. Allenfalls, wenn Pietro und siedereinst selbst die Alten waren, würden sie ein Stockwerk tiefer in das Piano Nobile ziehen. Ihr Flügel, so fand Mariana, besiegelte diese Endgültigkeit.

    Willig ließ sich Mariana vom Zauber des alten Hauses umfangen, jeden Tag freute sie sich über neue Einzelheiten, elegante Stuckarbeiten, entzückende handbemalte Ofenkacheln, geschnitzte Balken und Türen mit kuriosen Fratzen und reizenden Blumen und Tieren.
    Bis dahin hatte sie sich aus Möbeln, Vorhängen oder gar Teppichen nicht viel gemacht, eine Wohnung hatte ihr gefallen wegen ihres Schnittes, ihrer Lage und Aussicht. Was darin stand, war nicht so wichtig, Hauptsache, so wenig und so einfach wie möglich. Jetzt wandelte Mariana sinnend durch die Räume: Was passte hier noch hin, was nahm sich dort gut aus, in dieser Nische, an jener Wand?
    Auf der Suche nach ihrem Flügel hatte sie im Vorbeihuschen, halb aus den Augenwinkeln, allerhand Raritäten erspäht. »Alter Plunder«, so war es ihr vorgekommen, nun aber erschien ihr das in einem anderen Licht. Bald schleppte sie wie ein eifriger Hamster von überall her ihre Trophäen in das neue Heim, Bilderrahmen, Gobelins, Spiegel. In ihrem Terminkalender vermerkte sie wichtige Auktionen, in altbekannten Städten lernte sie auf ihren Streifzügen plötzlich ganz neue Menschen und auch Stadtteile kennen, und wo es ihr an Fachwissen fehlte, bewahrten sie ihr anderswo geschulter Sinn für Qualität und ihr guter Instinkt davor, sich billigen Schund oder teure Imitationen andrehen zu lassen.
    Zu Anfang hatte sie ziemlich wahllos irgendwelche hübschen Stücke gekauft. Als sie sich besser auskannte, fing sie an, gezielter zu sammeln, aber immer war es Liebe auf den ersten Blick, die den Ausschlag gab, allenfalls auf den zweiten. Wenn sie dann noch nicht vor Begehrlichkeit glühte, ließ sie sich nicht zum Kauf überreden, mochte die Gelegenheit auch sehr günstig sein. »Dass ich das noch erleben darf, auf meinealten Tage: Mein Herz klopft wieder vor Leidenschaft«, berichtete sie Pietro aufgeregt.
    Im Übrigen musste Mariana nur einen Schritt vor die Tür tun, und schon fand sie in den verwinkelten, düsteren Lädchen der römischen Altstadt die edelsten Schätze. Die ergiebigsten Fundgruben bildeten vielleicht sogar der Dachboden und die muffigen Abstellräume im eigenen Haus. Ein Grund mehr, Rom von Tag zu Tag mehr zu lieben.
    Immer häufiger murrte Mariana jetzt, wenn sie wieder ihre getreuen Koffer packen musste: »Eigentlich würde ich jetzt lieber hierbleiben.« Das meinte sie wirklich. Nach wie vor fühlte sie sich gesund und munter an Körper und Seele und auch an Stimme, aber bei manchen Rollen überkamen sie inzwischen doch Bedenken: »Carmen in den Wechseljahren. Das ist bestimmt ein interessanter Ansatz, vielleicht lässt sich damit manches erklären, ihre Schroffheit und Kratzbürstigkeit. Aber ich möchte damit nicht in die Operngeschichte eingehen. Ich schenke die Idee gerne einer meiner altbewährten Kolleginnen«, ächzte sie in gespielter Verzweiflung.
    Immer häufiger sang sie in Rom, nicht nur in der Oper, auch in Palästen und Kirchen, wo manchmal die Engel an der Decke so schwungvoll mitmusizierten, dass es Mariana vor Glück schwindlig wurde. Angebote, die sie vor Kurzem noch gereizt hatten, vor allem die aus fernen Ländern, sagte sie jetzt entschlossen ab. Alte Verträge ließ sie mehr und mehr auslaufen, bei den wenigen Verträgen, die sie aufrechterhielt, stellte sie jetzt so wählerische Bedingungen, wie sie es sich bisher nicht getraut hatte. Sie hatte nichts zu verlieren, nur ihren guten Ruf. Alles musste stimmen, das Geld schon auch, aber noch viel mehr die künstlerische Seite. Und die menschliche wohl am meisten.
    Da haperte es bei Jens Arne Holsteen. Gerade in der letzten Zeit wieder einmal, Mariana war richtig ärgerlich auf ihn: Warum, um Himmels willen, hatte er seine Finger nicht von dem unschuldigen Dorle lassen können? Zwei Festspielsommerhatte er sie umworben und schließlich zur Strecke gebracht, anders konnte man es gar nicht nennen. Natürlich war das arme Ding bald schwanger geworden. Das wiederum versetzte Jens Arnes Eifer einen Dämpfer: Dieses Naturkind passte tatsächlich nicht zu ihm und zu dem Leben, das er führte. Sein eigentlicher Reiz hatte gerade darin bestanden, dass es lieb und nett in seinem Wald gesessen hatte oder auf Almwiesen herumgesprungen war. Nun hieß es: »Also, heiraten kann ich dich

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