Im Schatten der Vergeltung
Nische unter der Treppe. Sie hatte die Kinder in Clarices Obhut gegeben und sie gebeten, mit ihnen in den Garten zu gehen, damit sie den Streit ihrer Eltern nicht miterleben mussten. Nun fiel in der Bibliothek etwas laut scheppernd um, und jeder konnte hören, wie Murdoch außer sich vor Wut brüllte:
»Burns wird noch heute das Haus verlassen! Ich lasse mir nicht vor meiner Nase Hörner aufsetzen.«
Dazwischen erklang Louisas tränenerstickte Stimme, man konnte jedoch kein Wort verstehen. Dann wieder Murdoch: »Du bist meine Ehefrau und die Mutter meines Sohnes! Ich werde es nicht dulden, dass dir ein anderer Mann schöne Augen macht und schmachtende Gedichte schreibt.«
Wieder murmelte Louisa etwas, worauf ein klatschendes Geräusch zu vernehmen war. Alle zuckten zusammen, und auch Maureen vermutete, dass Murdoch seine Frau geohrfeigt hatte.
Durch den Lärm ebenfalls angezogen durchschritt Robert Burns mit energischen Schritten die Halle und öffnete die Tür zur Bibliothek.
»Sir, wenn ich Ihnen Anlass für Ihre Verdächtigungen gegeben haben sollte, so bitte ich Sie, die Angelegenheit mit mir zu besprechen.« Bestimmt und ohne Angst trat er vor Murdoch. »Bitte quälen Sie Ihre Frau nicht länger!«
Drohend näherte sich Murdoch dem jungen Mann.
»Wie können Sie es wagen, mir Vorschriften zu machen, wie ich meine Ehefrau zu behandeln habe? Erst nutzen Sie meine Gastfreundschaft in schändlichster Weise aus, dann besitzen Sie die Frechheit, mir zu sagen, was ich in meinem eigenen Haus zu tun und lassen habe! Ich verspürte nicht übel Lust, Sie für Ihr Verhalten gegenüber meiner Frau zu fordern.«
Kein Muskel zuckte in Burns Gesicht.
»Wenn dies Ihr Anliegen ist ... Bitte, ich stehe Ihnen zur Verfügung.«
»Nein!« Ein qualvoller Schrei löste sich von Louisas bebenden Lippen. »Kein Duell! Ich schwöre, Clifford, bei allem, was mir heilig ist, ja beim Leben unserer Kinder, Mister Burns und mich verbindet nicht mehr als Freundschaft.«
»Halt deinen verlogenen Mund!«
Murdoch versetzte Louisa eine so heftige Ohrfeige, dass sie rücklings bis an die holzgetäfelte Wand taumelte. Das geschah so schnell, dass Burns ihn nicht hatte daran hindern können. Als er Blut auf Louisas Lippen sah, stürzte er sich auf Murdoch.
»Schämen Sie sich nicht, eine wehrlose Frau zu schlagen? Sie haben wohl nicht den Mut, sich mit einem Mann zu messen?«
»Mann? Ich sehe hier außer mir keinen anderen Mann. Zum letzten Mal: Scheren Sie sich aus meinem Haus!«
»Nicht, bevor Sie sich nicht in aller Form bei Ihrer Frau für diese haltlosen Verdächtigungen entschuldigt haben!«, beharrte Robert Burns.
Murdoch stürmte zur Tür und riss sie auf. Sein Blick umfing die Leute in der Halle.
»Was gibt es hier zu gaffen? Habe ich als Herr etwa nicht das Recht selbst zu bestimmen, wer dieses Haus betritt und wer nicht?« Er winkte dem Butler, der sich Murdoch zögernd näherte. »Golham, setzen Sie dieses Objekt an die frische Luft!«
So leicht ließ Robert Burns sich nicht einschüchtern. Er mochte zwar von schmächtiger Statur sein, und seine Hände führten lieber die Feder als das Schwert, sein Stolz stand dem von Murdoch in nichts nach. Mit erhobenem Kinn trat er zu dem schäumenden Murdoch und sah ihm herausfordernd in die Augen.
»Sie sind ja kein Mensch mehr! Ich kann es nicht verantworten, Lady Louisa auch nur noch einen Tag in diesem Hause zu belassen«, sagte er mutig. »Ich werde sie zu ihren Eltern bringen.«
Maureen kam langsam aus ihrem Versteck hervor. Bei dem allgemeinen Trubel schenkte ihr niemand Beachtung. Da sah sie, wie Louisa beide Hände auf ihren leicht geschwollenen Leib presste und mit wachsbleichem Gesicht zu Boden sank. Die Köchin war sofort an ihrer Seite und beugte sich über sie.
»Mein Gott, das Kind! Man muss sofort einen Arzt holen!« Mit Entsetzen sah Maureen wie sich der Rock zwischen Louisas Beinen rot färbte. »Und die Hebamme, schnell!«, schrie die Köchin.
Ein Küchenmädchen rannte aus der Halle, und der Kammerdiener Harris nahm die inzwischen bewusstlose Louisa ohne weitere Umstände auf seine starken Arme.
»Ich bringe sie in ihr Zimmer«, sagte er ruhig und zur Köchin gewandt: »Würden Sie mich bitte begleiten?«
Während der Szene, die Maureen so unwirklich wie in einem schlechten Theaterstück vorkam, hatten Murdoch wie auch Burns geschwiegen. Kaum war seine Frau von dem Diener die Treppe hinaufgetragen worden, wandte Murdoch sich zu dem Dichter um und schlug ihm
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