Im Schatten der Vergeltung
jedoch, wenn sein Sohn gierig an den vollen Brüsten von Clarice saugte und schmatzte. Dass dabei seine Aufmerksamkeit mehr den üppigen Rundungen der Amme als dem hungrigen Säugling galt, überraschte Maureen nicht. Von Tag zu Tag, den sie in der Nähe von Clifford Murdoch verbrachte, wurde ihr der Mann mehr zuwider. Bis jetzt hatte Maureen keinen Hinweis auf eine eventuelle Verwandtschaft zwischen ihnen feststellen können, eine Tatsache, die sie zwar nicht befriedigte, aber beruhigte. Maureen wusste nichts von den anderen beiden Männern, bisher nicht einmal ihre Namen, aber die Vorstellung, Clifford Murdoch wäre ihr Erzeuger, bereitete ihr Übelkeit und ihre Magenprobleme kehrten zurück. Sie wusste nicht, ob der Plan, den sie langsam und beharrlich verfolgte, von Erfolg gekrönt sein würde. Würde Murdoch überhaupt Eifersucht auf einen Mann wie Robert Burns, der in seinen Augen über so viel männliche Attribute wie ein getrockneter Ziegenkäse verfügte, empfinden? Würde der Verdacht ihm vielleicht nicht mehr als ein müdes Lächeln entlocken? Aber Maureen wusste, Murdoch war ein herrschsüchtiger Mensch. Louisa war sein Eigentum. Er würde es niemals dulden, dass jemand Hand an das, was sein eigen war, legte. Nun, sie würde ihr Ziel weiter verfolgen und abwarten.
D er Sommer neigte sich langsam seinem Ende zu. In der Luft lag schon der Geruch des nahenden Herbstes, und die Abende wurden empfindlich kühl, aber noch nutzten Maureen und Susan die warmen Tagesstunden und saßen in der Gartenlaube. Der kleine Edmund lag in seiner Wiege, gluckste und brabbelte munter vor sich hin. Clarice saß mit einer Stopfarbeit daneben.
»Bald wird es Herbst«, erwähnte Maureen beiläufig.
Susan sah von ihrem Zeichenbuch auf und nickte.
»Dann kommt bald Weihnachten. Da bekomme ich viele Geschenke und Papa lädt ganz viele Menschen ein. An letztes Jahr kann ich mich noch gut erinnern. Da hat Mama sogar mit mir getanzt.«
»Wie schön, Kind, erwiderte Maureen. »Ich glaube, für heute hast du genug gelernt. Hast du nicht Lust nachzusehen, ob du noch ein paar letzte Gänseblümchen findest? Dann flechte ich dir einen Kranz für dein Haar.«
Das Mädchen sprang so schnell auf, dass das Buch vom Tisch fiel. Mit einem Lächeln hob Maureen es wieder auf und sah Susan nach, die ausgelassen über die Wiese rannte. Sie hatte darauf gewartet, mit der Amme allein zu sein, und sagte zusammenhangslos zu Clarice: »Mister Burns wird uns nun bald leider verlassen. Er ist ein sehr angenehmer Gesellschafter. Findest du nicht auch?«
Das Mädchen legte überrascht die Handarbeit zur Seite. Die Erzieherin hatte sich bisher kühl und abweisend ihr gegenüber verhalten, ihre Gespräche hatten sich immer nur um den kleinen Edmund gedreht. Es war das erste Mal, dass Maureen von sich aus das Gespräch mit ihr suchte.
»Ja, Mister Burns ist nicht nur gebildet und freundlich, sondern auch von angenehmer Gestalt, auch wenn er einem Mädchen wie mir natürlich keine Beachtung schenkt.«
Da Clarice in den letzten Wochen immer häufiger bei den Lektionen, die Maureen Susan erteilte, still dabeigesessen hatte, hatte sich ihre Sprache und Ausdrucksweise gewandelt. Sie würde zwar immer das einfache Mädchen von Lande bleiben, sie lernte jedoch schnell, dass es gar nicht so schwierig war, sich anständig und kultiviert zu benehmen und auszudrücken.
»Der junge Mann gefällt dir wohl?«, fragte Maureen und fixierte Clarice, die schnell und ohne zu erröten den Kopf schüttelte.
»Nein, obwohl er ein Mann ist, der in seinem Leben noch so manches Herz einer Frau erobern wird. Ich mag aber keine Poeten. Für mich muss ein Mann mit beiden Beinen auf der Erde stehen, fest zupacken und hart arbeiten können. Mit breiten Schultern und starken Muskeln, die das größte Schlachtross mühelos bändigen können.«
So wie Clifford Murdoch, dachte Maureen.
»Dann können wir ja nur hoffen, dass Lady Louisas Herz nicht ebenfalls für ihn schlägt.«
Clarice zuckte zusammen. Wie von Maureen beabsichtigt, weiteten sich ihre Augen ungläubig.
»Lady Murdoch? Aber Mrs Mowat, Sie meinen doch nicht ...?«
»Ich persönlich halte ja nicht viel von Dienstbotentratsch«, fuhr Maureen unbeirrt fort. »Die Leute reden schnell immer viel. Wenn man allerdings den Dichter beobachtet, wie er unsere Herrin verehrt und Mylady ist schließlich auch nur eine Frau ...« Sie ließ den Satz unvollendet, griff nach Susans Zeichenbuch und blätterte scheinbar interessiert
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