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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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sein, dass seine Tochter unter Liebeskummer litt? Sie war aber doch noch ein Kind! Sicher, sie und der junge Linnley hatten sich oft getroffen, mehr war da aber nicht gewesen. Oder doch? In Philipp nagten Zweifel. Verflixt, das war kein Thema, über das ein Vater mit seiner Tochter sprach. Für solch heikle Angelegenheiten gab es schließlich Mütter! Philipp schluckte. Er selbst hatte Frederica die Mutter genommen. Er ganz allein, und trotz aller Bemühungen konnte er seiner Tochter nicht die Mutter ersetzen. Nicht zum ersten Mal durchzog ein schmerzhaftes Ziehen seinen Brustkorb, wenn er an Maureen dachte. Wie schön wäre es jetzt, Seite an Seite mit ihr vor einem flackernden Kaminfeuer zu sitzen, jeder ein Glas Wein in der Hand, um gemeinsam den Tag Revue passieren zu lassen. Wenn in den letzten Jahren ihre Ehe auch Leidenschaft und Verlangen eingebüßt hatte, so stellte er mit jedem Tag mehr fest, wie sehr sie ihm fehlte. Wie oft hatte er sich über ihr ungezügeltes Temperament und ihre Unbeugsamkeit geärgert. Wie sehr hatte sie ihn gereizt, wenn sie sich in politische Diskussionen einmischte. Wie viele Abende hatten sie miteinander diskutiert, als in Boston die Hafenarbeiter die kostbare Teeladung aus England einfach ins Meer gekippt hatten und daraufhin der Krieg in den Kolonien ausgebrochen war. Maureen hatte Verständnis für die Menschen in Amerika gezeigt und sie verteidigt, während Philipp natürlich die englische Sicht der Dinge vertrat. In diesem Moment, in dem kalten und dunklen Zimmer, wünschte er sich nichts sehnlicher, als den Duft ihres Haares und die Wärme ihrer Haut wieder riechen und spüren zu können. Jeder, der einen geliebten Menschen verlor, hatte diese Sehnsucht in sich, bei ihm war es jedoch anders. Maureen war ihm nicht durch eine höhere Macht genommen worden, sondern durch seine eigene Sturheit, die schon an Dummheit grenzte. Er fragte sich immer häufiger, warum er sich von der wundervollsten Frau der Welt getrennt hatte. Für eine politische Karriere? Pah, er pfiff darauf! Tatsächlich war ihm kürzlich ein interessanter Posten im Parlament angeboten worden. Dazu müsste er mindestens die Hälfte des Jahres in London leben. Glücklich, dass Frederica gerade ihre schwere Krankheit überwunden hatte, kam es für Philipp auf keinen Fall in Frage, sie so lange allein zu lassen, und sie nach London mitnehmen wollte er auch nicht. Er würde seine Tochter nicht dem Dreck und Gestank der Stadt aussetzen. Kurz nach Maureens Tod hatte Lady Esther vorgeschlagen, für Frederica eine Erzieherin zu engagieren. Als Philipp nicht sofort begeistert zugestimmt hatte, kam Esther Linnley in den folgenden Wochen regelmäßig mit einer Liste mit Namen von geeigneten Damen nach Trenance Cove. Nach drei Monaten, in denen Philipp wenig Interesse an ihren Vorschlägen gezeigt hatte, hatte Lady Esther über so viel Unvernunft von Seiten Philipps schließlich mit einem säuerlichen Lächeln aufgegeben. Nein, Frederica brauchte keine Erzieherin. Seine Tochter brauchte ihre Mutter.
    Er erhob sich und ging, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, langsam auf und ab. Wohl schon hundert Mal hatte er überlegt, ob er nicht mit Maureen in Kontakt treten sollte. War sie noch in Edinburgh? Ja, überhaupt noch in Schottland? Laura war bestimmt schon gestorben, und Maureen auf sich allein gestellt. Das könnte er herauszufinden. Was sollte er ihr aber sagen, wenn er sie wiederfinden würde?
    »Verzeih mir und komm nach Hause.«
    So einfach war das nicht. Wie sollte er die Tatsache, dass Maureen noch lebte, nicht nur Frederica, sondern auch allen anderen erklären? Auch zweifelte Philipp daran, dass Maureen ihm verzeihen würde, denn er kannte ihren Stolz. Sie hatte das Geld, dass ihr die Zukunft sichern würde, zwar angenommen, hatte auf sein Schreiben aber nie geantwortet. Schließlich hatte er von ihr gefordert, dass sie für immer aus seinem Leben scheiden sollte. Unwillkürlich erinnerte Philipp sich, wie Maureen sich über ein neues Kleid oder ein Schmuckstück hatte freuen können. Dabei war es ihr aber nie wichtig gewesen, wie kostbar die Dinge waren, die er ihr geschenkt hatte.
    »Hauptsache, es kommt von dir«, hatte sie unter Tränen geflüstert, als er ihr vor Jahren einen Diamanten, der in Herzform in einem Kranz von Rubinen gefasst war, zum Geburtstag geschenkt hatte. »Wenn du mir einen Kieselstein schenken würdest, dann würde ich diesen voller Stolz an meiner Brust tragen.«
    Ihre Stellung als

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