Im Schatten der Vergeltung
Frederica nicht die geringste Lust, das Fest zu verlassen, dabei hatte sie es vor einer halben Stunde nicht abwarten können, endlich wieder allein in ihrem Zimmer sein zu können. Sie bedauerte, ihren Vater gebeten zu haben, vor dem Dinner zu gehen und wusste, sie könnten jetzt nicht einfach ihre Pläne ändern. Lady Esther wäre über diesen plötzlichen Sinneswandel mehr als pikiert, und doch wünschte sich Frederica in diesem Moment, länger an der Seite von Cedric Collingford verweilen zu können. Wie es wohl wäre, an seinem Arm über die Tanzfläche geführt zu werden? Der Gedanke an den Tanz, an dem sie nicht würde teilnehmen können, brachte sie in die Gegenwart zurück.
»Mein Vater wartet auf mich«, stammelte sie, und war überrascht, einen zusammenhängenden Satz über die Lippen gebracht zu haben.
Bildete es sich Frederica ein, oder zeichnete sich Bedauern auf seinem Gesicht ab, als er sagte: »Ihr seid in Trauer, ich habe davon gehört. Es tut mir schrecklich leid.«
»Meine Mutter ist vor einem knappen Jahr gestorben, deswegen werden wir am Dinner und am Ball nicht teilnehmen. Wir sind nur zu der Trauung gekommen, weil unsere Familien seit Jahren miteinander befreundet sind.«
»Das ist schade, aber verständlich.« Er meint seine Worte wirklich ernst, dachte Frederica und fühlte sich plötzlich frei und leicht wie ein Vogel. »Leider kann ich keinen Grund vorschieben, ebenfalls vorzeitig zu gehen. Viel lieber würde ich deinen Vater und dich nach Hause begleiten und sehen, ob Trenance Cove immer noch so elegant und groß ist, wie ich es in Erinnerung habe.«
Er seufzte und verdrehte so drollig die Augen, dass Frederica laut auflachte. Sofort presste sie eine Hand auf die Lippen und sah sich schuldbewusst um. Schließlich war sie in Trauer und sollte keine solche Ausgelassenheit zeigen. Cedric zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
»Ich glaube, Lady Esther würde in Ohnmacht fallen, wenn ich einfach sang- und klanglos verschwinden würde. Sie hat mich in der letzten Woche täglich bekniet, zu der Hochzeit zu kommen. Nun, dann werde ich den Abend eben ertragen, auch wenn er ohne deine Anwesenheit sehr trist sein wird. Wir werden jetzt deinen Vater suchen, damit ich ihn begrüßen kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn du und dein Vater meiner Einladung folgen und mich in den nächsten Tagen in Bracken Hall besuchen würdet. Vielleicht hast du ja auch Lust, irgendwann mit mir auszureiten?«
Frederica hob den Kopf, ihr Blick traf den seinen. Sie gab sich keine Mühe, ihre Freude über die Aussicht, ihn bald wiederzusehen, zu verbergen.
»Danke, Cedric. Vater wird sich freuen, dich wiederzusehen.«
Es durchfuhr sie wie ein Schlag, als er ihren Arm nahm und sie in die Halle hinausführte. Dort sah sie George am Fuß der Treppe stehen. Ich muss ihm noch meine Glückwünsche aussprechen, dachte sie, hatte aber überhaupt keine Lust dazu. Frederica verspürte zu nichts Lust, das sie von der Seite Cedric Collingfords fortführen würde.
N ur das Ticken einer Uhr durchbrach die Stille in der Bibliothek. Philipp Trenance saß vor dem Kamin und starrte in die erkaltete Asche. Kopfschüttelnd hatte Jenkins den Raum verlassen, als Philipp sagte, er wünsche weder Feuer noch Licht. Die Hochzeit, der ganze Tag und nicht zuletzt Fredericas harmlose Bemerkung, was Maureen wohl zu der Vermählung gesagt hätte, hatten ihn über alle Maßen aufgewühlt, hatten Empfindungen und Gefühle, die er seit Monaten sorgsam in sich verborgen hatte, wieder an die Oberfläche gezerrt. Maureen. Seine Frau, die immer gegen eine Verbindung Fredericas mit George Linnley gewesen war. Die Angelegenheit hatte sich mit dem heutigen Tag erledigt und George war der Mann einer anderen. Philipp meinte, Maureens Lachen zu hören zu können, wenn sie davon erfahren würde. Das war aber unwahrscheinlich. Obwohl die Vermählung ein großes gesellschaftliches Ereignis war, würde die Nachricht nicht bis nach Schottland dringen. Glücklicherweise hatte Frederica im Laufe des Tages ihre Unbekümmertheit zurückerlangt. Als sie vorhin heimgekehrt waren, war Frederica beinahe wieder das unbeschwerte Mädchen früherer Tage gewesen. Mit Unbehagen dachte Philipp an die vergangenen Monate. Eine Zeit, in der Frederica zwar atmete und sich bewegte, trotzdem nicht zu leben schien. Die Veränderung war eingetreten, als sie von der Heirat zwischen George und Pamela erfahren hatte. Philipp war der Situation hilflos gegenüber gestanden. Konnte es
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