Im Schatten der Vergeltung
stöhnend in einen Sessel und presste beide Hände an den Kopf. Plötzlich hämmerten die Schmerzen, die ihn seit Jahren quälten, mit aller Macht hinter seinen Schläfen. Er wusste, als Oberhaupt eines Landes wie England konnte man keine Freunde haben. Man stand völlig allein auf der Welt. Trotzdem hatte er Willard Foster vertraut. Ein verhängnisvoller Fehler, wie sich jetzt herausstellte.
17. Kapitel
Tower von London, März 1782
A ngewidert schob Willard Foster den Teller von sich und rümpfte die Nase. Dabei handelte es sich um sein Leibgericht: Saftiger Rinderbraten, geschmort in dunkler Madeirasauce, in Butter geschwenkte Kartoffeln und zartes Gemüse in viel gelber, dickflüssiger Sahne. Heute jedoch wurde ihm allein von dem Geruch speiübel, denn es war seine Henkersmahlzeit. Es war das Letzte, das er auf dieser Welt zu sich nehmen würde. Obwohl Foster seit Tagen nichts Anständiges mehr gegessen hatte, gelang es ihm nicht, auch nur einen Bissen anzurühren. Bevor ihm seine letzte Mahlzeit serviert worden war, hatte ihn ein Priester aufgesucht, damit er beichten konnte. Foster hatte ihn fortgeschickt. Er fürchtete sich nicht vor der ewigen Verdammnis in der Hölle, wie der Priester ihm zornig prophezeit hatte. Foster glaubte nicht an Himmel oder Hölle. Er hatte bisher nur an eines geglaubt: An sich selbst. Warum und wieso er jetzt in der kargen Zelle saß, das Blutgerüst direkt vor Augen – er musste dafür nur aus dem schmalen, vergitterten Fenster schauen – und die letzten Minuten seines Lebens mit dem Ekel gegenüber einem Stück Fleisch verbrachte, war ihm nach wie vor ein Rätsel. Es nützte ihm nichts, dass er von alledem, was ihm vorgeworfen worden war, nichts getan hatte. Er wusste, er war unschuldig, die Beweise hatten aber gegen ihn gesprochen. Und bei Hochverrat gab es nur ein Urteil: Der Tod auf dem Richtblock!
Als er das Rasseln der Schlüssel hörte und sich die schwere Eisentür öffnete, seufzte er erleichtert. Es hatte zwar geheißen, er würde gegen sechs Uhr am Abend geköpft werden, und jetzt war es erst kurz vor fünf, aber nun denn: Bringen wir es hinter uns! Was bedeutete schon eine Stunde mehr oder weniger? In Erwartung seines Wächters erhob Foster sich langsam von dem Schemel, zupfte seinen, von der Haft ramponierten und verschmutzen Rock zurecht und straffte die Schultern. Er würde als der Herr, der er war, in den Tod gehen. Niemand würde ihn weinen oder gar um Gnade winseln sehen.
Mit einem zischenden Laut zog Foster die Luft zwischen die Zähne, als er erkannte, wer sich durch die niedrige Tür in die Zelle drückte.
»Lady Sybil!« Wenn seine eigene, längst verstorbene Mutter eingetreten wäre, hätte er nicht erstaunter sein können. »Was macht Ihr hier? Das ist wahrlich keine Umgebung für eine Dame.«
Sie gab dem Wärter ein Zeichen, sich zurückzuziehen, dann sah sie sich rasch in dem Verlies um, bis sie sich nach kurzem Zögern auf dem einzigen, wackligen Schemel niederließ, auf dem Foster eben noch gesessen hatte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich auf die schmale Bettstatt sinken zu lassen. Sein Herz begann zu klopfen. Natürlich hatte er eine gewisse Sympathie Lady Sybils für ihn bemerkt. Vielleicht hatte er ihre Gefühle unterschätzt, denn sie gingen offenbar so tief, dass sie sogar den Weg in den Tower nicht scheute. Sie wollte ihn ein letztes Mal sehen, ihn mit liebevollen Worten in den Tod gehen lassen. Ein warmes Gefühl durchzog Foster, und er bedachte sie mit einem zärtlichen Blick, aber in dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, zuckte er zusammen, als hätte man ihn mitten ins Gesicht geschlagen. In ihrem Blick lag keine Wärme oder Zärtlichkeit. Der Ausdruck ihrer Augen war kalt und sie musterte ihn abschätzend. In diesem Moment blitzte wieder die kleine, vage Erinnerung an einen ähnlichen Gesichtsausdruck in seinem Gedächtnis auf.
»So, Foster. Das war es dann wohl.«
Kein Muskel regte sich in ihrem Gesicht, obwohl Maureen große Willenskraft aufbringen musste, sich ihr Entsetzen über den Zustand der Zelle und auch Fosters Erscheinung nicht anmerken zu lassen. Das hatte sie nicht gewollt! Nicht, dass Foster als Verräter zum Tode verurteilt wurde. Durch ihren kleinen Betrug hatte sie gehofft, dass er aller seiner Ämter enthoben, seine politische Karriere zerstört wurde und er sich aufs Land zurückziehen musste. Obwohl er ein Frauenschänder war, wollte Maureen nicht seinen Tod, seine öffentliche Bloßstellung wäre
Weitere Kostenlose Bücher