Im Schatten der Vergeltung
der Boden unter ihr öffnen.
» Sie schon wieder! Verfolgen Sie mich etwa?«
Alan McLaud deutete eine Verbeugung an, die nicht anders als spöttisch bezeichnet werden konnte.
»Es handelt sich um eine öffentliche Apotheke. Es scheint, als habe das Schicksal es gefügt, dass wir erneut aufeinander treffen. Ich hätte Sie hier jedoch niemals erwartet. Damen Ihrer Gesellschaftsschicht verkehren gewöhnlich nicht in solchen Hexenküchen.«
Über diese Bezeichnung kicherte der Apotheker gackernd und verschwand wieder nach hinten, um mit seiner Arbeit fortzufahren.
»Meine Mutter ist krank«, murmelte Maureen unwillig. Eigentlich wollte sie mit diesem ungehobelten Flegel kein einziges Wort wechseln und wunderte sich, warum sie sich überhaupt zu einer Entgegnung hatte hinreißen lassen.
»Das habe ich bereits Ihrem Gespräch entnommen, und es tut mir leid. Mr. Selby hat Ihnen zu dem Schneckentrunk geraten, Sie sollten ihn wirklich mal ausprobieren. Das Gebräu schmeckt gar nicht so schlecht wenn man es mit einem gehörigen Schluck Whisky hinunterspült.«
»Haben Sie es selbst probiert?«
McLaud lachte, wobei sich kleine Fältchen rings um seine Augenwinkel bildeten. Das verlieh seinem markanten Gesicht etwas Weiches. Er schüttelte sich in gespieltem Ekel und hob abwehrend beide Hände.
»Gott bewahre, aber eine Bekannte wurde dadurch von einem hartnäckigen Husten tatsächlich geheilt.«
»Ich werde es mir überlegen.«
Demonstrativ drehte Maureen ihm den Rücken zu und tat, als würde sie eingehend die Schildchen an den Flaschen im Regal hinter dem Tresen studieren. Hoffentlich würde sich Mr. Selby beeilen, sie wollte sich keinen Moment länger als nötig mit McLaud in einem Raum aufhalten. Der Schotte schien heute aber außerordentlich gesprächig zu sein, denn er setzte die Unterhaltung fort.
»Es wundert mich, dass Sie und Ihr Mann noch immer in der Stadt sind. Ich hätte angenommen, euch Engländer würde es im Winter längst wieder in den Süden ziehen.«
»Ich darf Sie daran erinnern, dass ich in Schottland geboren und aufgewachsen bin«, erwiderte Maureen über die Schulter hinweg.
»Ach ja, wie konnte ich das vergessen! Und jetzt kümmern Sie sich um Ihre kranke Mutter. Meine Hochachtung, Mrs Trenance.«
»Woher kennen Sie meinen Namen?« Ärgerlich wandte sich Maureen um.
»Mr. Selby erwähnte ihn. Vielleicht verraten Sie mir auch Ihren Vornamen? Es ist doch viel angenehmer zu wissen, mit wem man es zu tun hat.«
Maureen zerknüllte die Handschuhe in ihren Händen.
»Ich wüsste nicht, was wir beide miteinander zu tun hätten. Sobald ich die Arznei erhalten habe, trennen sich unsere Wege, und ich hoffe, dass sie sich nicht wieder kreuzen, Wenn ich mich richtig erinnere, war das auch in Ihrem Sinn, nicht wahr?«
An Selbstbewusstsein mangelte es Alan McLaud offenbar nicht. Er hatte für Maureens heftig hervorgestoßene Bemerkung nur ein lautes Lachen übrig.
»Ich sagte bereits, Frauen, über die ich sofort alles weiß, interessieren mich nicht. Ich bin sicher, hinter Ihrer eisigen Fassade verbirgt sich ein Geheimnis. Darum hoffe ich auf weitere Begegnungen. Edinburgh mag von Jahr zu Jahr wachsen, doch so groß ist es nicht, dass man nicht immer wieder alte Bekannte trifft.«
Die Rückkehr des Apothekers entband Maureen einer Antwort. Mr. Selby stellte eine kleine Flasche mit einer trüben Flüssigkeit auf den Tresen.
»So, schon fertig. Das macht dann zwei Schillinge.«
»Zwei Schillinge?« Maureen stöhnte laut auf. »Aber letztes Mal hat die Medizin nur einen Schilling und vier Pence gekostet.«
Mr. Selby hob die Hände und sah Maureen bedauernd an.
»Das Leben im Winter ist hart und teuer, Mrs Trenance. Ich habe eine Frau und fünf Kinder zu versorgen. Sie glauben gar nicht, wie schwer es ist, eine große Familie satt zu bekommen.«
Hektisch kramte Maureen in ihrer Geldbörse.
»Verflixt, ich habe nicht genügend Geld eingesteckt«, sagte sie. »Ich konnte nicht ahnen, dass Sie Ihre Preise erhöht haben. Kann ich Ihnen beim nächsten Mal den Rest geben?«
Der Apotheker zuckte bedauernd die Schultern.
»Ich lasse aus Prinzip nicht anschreiben, tut mir leid, dazu habe ich zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Ich bewahre Ihnen die Medizin gern auf, bis Sie den Betrag begleichen können. Die Mixtur verdirbt allerdings binnen weniger Tage.«
»Aber Sie kennen mich doch!« Maureen ließ sich nicht so schnell abwimmeln. »Meine Mutter braucht die Medizin noch heute Abend, sonst
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