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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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steht ihr eine schmerzhafte Nacht bevor. Mr. Selby, ich verspreche Ihnen, die ausstehende Summe gleich morgen durch einen Boten schicken zu lassen, oder ich komme selbst wieder, obwohl es bei dem Wetter ein anstrengender und weiter Weg von der New Town zum Lawnmarket ist.«
    Bei dem Gedanken, den Weg umsonst zurückgelegt zu haben, wurde Maureen ärgerlich. Seit Wochen war sie eine gute Kundin in der Apotheke und konnte nicht verstehen, warum der Mann ihr nicht vertraute. »Bitte, können Sie nicht eine Ausnahme machen?«
    Bevor Mr. Selby antworten konnte, trat Alan McLaud an ihre Seite.
    »Ich werde die ausstehende Summe begleichen.«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
    McLaud wischte Maureens Protest mit einer Handbewegung zur Seite.
    »Es ist mir eine Ehre, Mrs Trenance, einer Dame behilflich zu sein. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass ich als Ihr Retter in der Not auftauche.«
    »Was Sie sogleich bereuten, als Sie erfuhren, dass ich die Frau eines Engländers bin«, konterte Maureen.
    »Man kann seine Meinung ändern, auch wenn das landläufig eher ein Privileg der Frauen ist«, entgegnete er schlagfertig.
    Maureen war hin- und hergerissen. Einerseits widerstrebte es ihr, von McLaud auch nur einen Penny anzunehmen, andererseits brauchte sie die Medizin heute.
    »Ich gebe Ihnen den Betrag selbstverständlich so schnell wie möglich zurück«, willigte sie schließlich ein. »Wenn Sie mir Ihre Adresse nennen, schicke ich morgen einen Boten zu Ihnen.«
    Alan McLaud sah ihr fest in die Augen. Dann nahm er einfach ihren Arm, warf das Geld auf den Tresen, schnappte sich die kleine Flasche und führte Maureen zur Tür. Über die Schulter hinweg rief er Mr. Selby zu: »Ich hole meine Medizin später ab.«
    Auf der Straße wandte er sich an Maureen. »Darf ich Sie zu einem Kaffee oder Tee einladen? Gleich um die Ecke hat ein neues Kaffeehaus eröffnet, in dem auch Damen willkommen sind.«
    Der Schneefall hatte sich zu einem Sturm verstärkt. Der eisige Wind schnitt Maureen ins Gesicht, und sie hüllte sich fröstelnd in ihren Umhang. Die Aussicht auf eine heiße Tasse Tee war allzu verlockend. Natürlich hätte sie auch warten können, bis sie zu Hause war, vor ihr lag jedoch ein Fußweg von einer guten Stunde. Bei dem Wetter fuhren keine Droschken, sie würden im Schnee stecken bleiben. Außerdem zog es Maureen nicht zurück in das Haus am Charlotte Square, denn Laura würde noch ein paar Stunden schlafen. Der Zustand ihrer Mutter hatte sich in den letzten Tagen verschlechtert, und sie konnte das Bett nur noch selten verlassen. Die Aussicht, dieser bedrückenden Atmosphäre für einige Zeit noch zu entfliehen, belebte Maureen. Sofort meldete sich ihr schlechtes Gewissen, aber hatte sie nicht das Recht auf ein wenig Vergnügen? Vergnügen an der Seite von Alan McLaud, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Um dieser Stimme zu entgehen, streckte Maureen energisch das Kinn nach vorne. Warum nicht? Sie war eine erwachsene Frau, die wusste, was sie tat. Bei dem Gedanken an Lady Esthers entsetztes Gesicht, wenn diese erfahren würde, dass Maureen mit einem Fremden Tee trinken ging, umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Sie wusste nicht, wie bezaubernd sie in diesem Moment ausschaute, McLaud hatte es jedoch bemerkt. Ohne zu fragen nahm er ihren Arm und führte sie sicher über die verschneiten Gehsteige zu dem Café.
    Es erschien Maureen geradezu unwirklich, als sie Alan McLaud in dem gemütlichen Kaffeehaus gegenübersaß und mit langsamen Schlucken den starken Tee trank. Unsicher sah sie ihn an. Er hatte ihr zwar wiederholt aus der Klemme geholfen, sie gleichzeitig aber auch beleidigt. Heute schien er bester Laune zu sein, zumindest hatte er sich bisher höflich und zuvorkommend gezeigt.
    »Verraten Sie mir jetzt Ihren Vornamen?«
    Alan McLaud blickte Maureen wie ein treuer Hund an, und sie musste gegen ihren Willen lachen.
    »Nun gut, was ist schon dabei? Ich heiße Maureen.«
    »Maureen ...« Er sprach den Namen mit samtweicher Stimme und zog die letzte Silbe in die Länge. »Das ist ein alter, keltischer Name.«
    »Ich hoffe, er gefällt Ihnen«, entgegnete Maureen spöttisch. Sie fühlte sich leicht und beschwingt und wünschte sich, auf ewig mit Alan McLaud in dem warmen Kaffeehaus sitzen zu können. Sie dachte an die letzten Wochen, die äußerst eintönig verlaufen waren. Weihnachten und der Jahreswechsel waren still und wenig festlich vergangen, nun war es bereits Februar. Philipp hatte ihr zwar genügend

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