Im Schatten des Dämons
Egal, ob ein Klein-Rentner umgebracht wird oder ein ToKoPo.“
„Ein... was?“
„ToKoPo“, erwiderte die
Ex-Nachtschwester, die vor drei Jahren den kranken Computer-Karl aus der
Lungenentzündung herausgeholt und gesund gepflegt hatte. „Das ist die Abkürzung
für tonangebender Korruptions-Politiker.“
Die nimmt mich auf den Arm, dachte
Tiggel. Was für eine ist denn das? Habe ich die Falsche erwischt? Jetzt muß ich
ihr Angst machen.
„Schweifen Sie nicht vom Thema ab!“
meinte er barsch. „Ich bin Ihr Mörder.“
„Das begreife ich nicht, junger Mann.
Was wollen Sie von mir.“
Aha! dachte er. Jetzt kommen wir der
Sache näher.
„Prüfen will ich, ob ich mit Ihnen
verhandeln kann.“
„Verhandeln? Was haben Sie gegen mich?
Weshalb wollen Sie mich umbringen?“
„Das gehört zu meinem Job.“
„Wer hat Sie beauftragt, mich
umzubringen?“
„Niemand. Ich selbst habe Sie
ausgewählt, Annemarie Lippstedt.“
„Weshalb?“
„Es gibt zuviele Alte. Und dauernd
werden es mehr. Zu wenig Kinder werden geboren, und die Alten leben zu lange.
Rentner, wohin man guckt. Ganze Städte überaltern. Das Gleichgewicht innerhalb
unserer Gesellschaft ist gestört. Deutschland wird alterslastig. Die
Bundesrepublik vergreist. Ich reduziere ( verringere ) die Anzahl der
Alten. Eine gute Tat.“
„Sie werden anders darüber denken, wenn
Sie selbst in die Jahre kommen, Sie unreifer Schnösel. Außerdem nehme ich Ihnen
den Unsinn nicht ab. Ich will jetzt wissen, weshalb Sie mich belästigen.“
Tiggel fluchte innerlich.
Das Gespräch lief nicht so, wie er’s
gewohnt war. Achtundzwanzig andere alte Tanten hatte er sauber erpresst. Aber
diese Herbst-Biene ließ sich nicht einschüchtern.
„Erst mal“, sagte er, „müssen Sie sich
darüber klar sein, daß die Bullen mit ihren Ermittlungen keine Chance haben,
wenn ich Sie töte. Weil es keine Verbindung zwischen uns gibt. Nur dieses eine
Gespräch.“
„Ist bei Ihnen ‘ne Schraube locker?“
„Werden Sie nicht beleidigend, Oma!
Dazu besteht kein Grund. Vergreife ich mich etwa im Ton? Nein. Ich habe Ihnen
höflich erklärt, daß ich Sie abmurksen werde.“
„Aber Sie kündigen es vorher an.“
„Na ja, weil ich feststellen will, ob
Sie zum Verhandeln bereit sind.“
„Jetzt habe ich’s begriffen, sie höflicher
Mörder. Es geht um Geld.“
„Richtig.“
„Ich könnte mich freikaufen.“
„Sie können, Oma.“
„Und wenn ich statt dessen zur Polizei
gehe?“
Er lachte höhnisch. „Was soll die
machen? Sie dort behalten? Ihnen einen Kollegen vor die Wohnungstür setzen? Auf
Jahre! Ich habe Zeit. Mich drängt nichts.“
Nur die verdammte Geldknappheit, dachte
er. Wer, zum Henker, hat mich beklaut? Und wie ist er reingekommen in meine
Bude? Na ja, das Schloß läßt sich leicht öffnen.
„Ich habe nicht viel Geld“, sagte
Annemarie, nachdem sie einen Moment nachgedacht hatte.
„Ich weiß. Aber Ihr Leben ist Ihnen
einige Opfer und Einschränkungen wert, nicht wahr? Ich will 3000 Mark.“
„Unmöglich! Ganz unmöglich! Ich beziehe
nur eine kleine Rente. Außerdem habe ich mir einen elektrischen Bügelautomaten
und einen neuen Fernsehapparat gekauft. Auf Raten. Das geht vor.“
„Hm. Wieviel können Sie aufbringen?“
„Höchstens die Hälfte.“
„Dann werde ich Sie töten, Sie geizige
alte Schachtel.“
„Jetzt vergessen Sie aber Ihre guten
Manieren.“
„Entschuldigung! Das ist mir so
rausgerutscht.“
„Hätte ich gewußt, daß Sie auf mich
zukommen, wäre ich vorsichtiger gewesen mit den Anschaffungen auf Raten. Die
alte Plätte und der alte Fernseher hätten es noch getan.“
„Das erlebe ich häufig“, seufzte Tiggel.
„Die Leute geben ihr Geld für die falschen Sachen aus. Für künstlich geweckte
Bedürfnisse. Hinterher kommt dann das dicke Ende: kein Geld mehr da für die
wirklich wichtigen Dinge.“
„Leider“, pflichtete Annemarie ihm bei.
„Also gut. Ich habe Verständnis für
Ihre Situation. Man ist ja kein Unmensch. 1800 Mark. Klar?“
„1500!“
„1800! Sonst werde ich ernstlich böse.
Und jetzt hören Sie genau zu: Ab morgen vormittag liegt das Geld bei Ihnen
bereit. In Hundertern. Klar? Kein Tausender! Kein Fünfhunderter! Keine
fortlaufenden Seriennummern.“
Wie man so was bestellte, hatte er in
zahlreichen Krimis nachgelesen, und deshalb fuhr er fort:
„Sie verwahren das Geld in einem
geschlossenen Kuvert. Ich rufe an. Kann morgen schon sein.“
Bestimmt sogar, dachte er,
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