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Im Schatten des Dämons

Im Schatten des Dämons

Titel: Im Schatten des Dämons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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sonst
verhungere ich nämlich. Doch davon darf die Alte nichts merken. Darum sagte er:
„Oder in drei Wochen. Oder in sechs Monaten. Glauben Sie nicht, ich hätte Sie
vergessen — nur weil die Zeit vergeht. Ich melde mich und sage Ihnen die
Uhrzeit.“
    „Ich habe eine Uhr. Und ich weiß
selbst, wie spät es ist.“
    „Ich meine die Zeit der Geldübergabe.
Damit Sie wissen, wann Sie ins Kaufhaus Hülle-Fülle kommen sollen.“
    „Treffen wir uns dort?“
    „Dort.“
    „Ich gehe gern hin. Und oft. Es gibt
immer Sonderangebote. Meistens bin ich in der Abteilung Wolle und Strickwaren.“
    „Jaja.“
    Er überlegte. Vielleicht war es
zweckmäßig, gleich die Tatsachen festzumachen.
    „Wissen Sie was, Oma: Ich will nicht,
daß Sie sich stressen. Wozu ewig lange warten? Bringen wir’s hinter uns. Ja?
Sagen wir: Morgen um 17 Uhr, Kaufhaus Hülle-Fülle, vierter Stock, Abteilung
Sportgeräte.“
    „Dort warte ich auf Sie?“
    „Nein. Nicht direkt. Sie benehmen sich
ganz unauffällig. Am besten, Sie sehen sich das Bodybuilding-Studio an, das
dort aufgebaut ist. Dann können Sie losbummeln durchs Kaufhaus. Sie halten das
Geldkuvert in der linken Hand und dürfen sich auf keinen Fall umblicken. Ich
bin hinter Ihnen, irgendwann, irgendwo. Plötzlich werde ich Ihnen von hinten
zuflüstern: Bitte, eine Spende für die Rattenplage.“
    „Rattenplage?“
    „Ja.“
    „Nehmen die Nager überhand?“
    „Weiß ich nicht. Es ist eine gute
Losung. Da gibt es keine Verwechslung.“
    „Und dann?“
    „Sie strecken die linke Hand hinter
sich. Ich nehme das Kuvert. Sie gehen weiter. Ich verschwinde im Gewühl.“
    „Und damit habe ich mein Leben
gerettet“, sagte Annemarie Lippstedt.
    „So ist es.“ Er legte auf.

14. Siphonaptera
     
    Zweifellos ähnelten sie sich.
    Beide waren hochaufgeschossen,
zwirnfaden-dürr, Nickelbrillen-Träger und super-klug.
    Man konnte sie für Brüder halten: Computer-Karl
und Ladlo Lippstedt, der Tüftler und Hobby-Chemiker, der allerdings 16 Jahre
älter war als Karl und noch kein Mittel gefunden hatte gegen seine ausufernde
Stirnglatze.
    „Du weißt also Bescheid, hast dir alle
pyrophoren ( selbstentzündlichen ) Fakten einverleibt, Karl.“
    „Habe ich, Ladlo.“
    „Dann kriegt euer Dämon rote Finger.“
    „Und einen roten Kopf vor Wut“, lachte
Karl.
    In Ladlos Wohnung, wo sie sich
befanden, herrschte ein Drunter und Drüber, in dem nur ein Genie ( Hochbegabter )
den Durchblick bewahrte.
    Ladlo übergab Karl den kleinen Karton
mit der roten, nicht abwaschbaren Verpuffungs-Farbe.
    „Warte, Karl! Wir stecken den Karton in
eine Tüte.“
    Ladlo begann zu suchen.
    Er fand seine Brille, die er schon seit
dem frühen Morgen vermißte, und die Shag-Pfeife, von der er geglaubt hatte, sie
sei ihm vor drei Tagen in der U-Bahn aus der Tasche gefallen.
    Eine Tüte fand er nicht.
    „Laß nur“, sagte Karl. „Es geht auch
so. Ich muß jetzt los.“
    „Ja, beeil dich!“
    Ladlo schob ihn zum Klo, merkte den
Irrtum und korrigierte die Richtung.
    Als sie in der Diele waren, schrillte
die Klingel.
    Ladlo wollte ans Telefon.
    Karl öffnete die Wohnungstür, was
richtig war.
    Annemarie Lippstedt stand vor der Tür.
    „Karl, du?“ rief sie erfreut und schloß
ihn unverzüglich in die Arme.
    „Oma Marie!“ rief Karl, weil sie sich
auf diese Anrede geeinigt hatten.
    Ladlos Stiefmutter war eine
quicklebendige Endsechzigerin, eher klein, eine ranke Radlerin, die bei Wind
und Wetter fuhr.
    Aus einem herzförmigen Gesicht blickten
liebevolle Rehaugen. Aber Oma Marie konnte auch streng sein und kannte keine
Furcht.
    „Mutter“, sagte Ladlo, „habe ich dich
etwa zum Essen eingeladen und es total verschwitzt? Mein Gott, ich habe nichts
als Joghurt in der Küche. Aber wir könnten
    „Nein, nein!“ Annemarie ließ Karl los,
der schon etwas blau im Gesicht wurde. „Wir sind nicht verabredet. Ich komme,
weil ich deine Hilfe brauche.“
    „Ist die Plätte schon wieder kaputt?“
    „Das auch. Aber darum geht’s nicht. Ich
werde von einem Mörder erpresst.“
    „Waaaas?“ rief Karl.
    Ladlo rückte an seiner Nickelbrille —
stolz darüber, daß er sie gefunden hatte.
    „Ich glaube, Mutter, da liegt ein
Denkfehler vor. Mörder sind spezialisiert. Auf Mord. Sie morden. Die Erpressung
ist Sache der Erpresser. Sie erpressen, morden aber nicht. Entweder du wirst
von einem Erpresser erpresst, oder ein Mörder will dich ermorden. Die Art, wie
du den Fall darstellst, erscheint mir unwahrscheinlich —

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