Im Schatten des Dämons
von seiner
Bestform.
„Morgen kriegst du’s zurück“, versprach
er. „Jetzt brauche ich Erholung. Dieser Spinner — dieser Tim, den du auch
kennst — hat mich in unfairer Weise niedergemacht. Aber der wird noch was
erleben.“
„Wo ist das Geld?“ jaulte Frieder.
„Das weißt du. Ich mußte es dem Dämon
geben.“
„Es gehört zur Hälfte mir.“
„Ich geb’s dir zurück. Demnächst.“
Sie stritten.
Hubert holte die Schnapsflasche unter
seinem Bett hervor und stärkte sich.
Nach dem dritten Mundvoll Weizenkorn
ging es ihm besser. Seine Angriffslust kehrte zurück.
Frieder merkte es und schimpfte
gedämpfter.
Der Blick, mit dem sein Bruder ihn maß,
verriet, daß die für morgen versprochenen Prügel eher fällig sein würden.
„Jetzt sind wir abgebrannt bis auf die
Hornhaut“, nahm Frieder die Kurve. „Weil du dich vom Wahnsinn befallen läßt
wegen dem verdammten Dämon. Aber wir brauchen Kohle, Mann! Am besten sofort!
Weißt du, was? Ich guck jetzt raus auf die Straße. Der erste, der vorbeikommt,
dem brate ich eins über. Und dann nehme ich ihm die Barschaft ab. Aber die behalte
ich. Der Dämon kriegt nichts.“
„Ich mache mit“, sagte Hubert und
begurgelte nochmals kräftig die Mandeln mit Schnaps.
Frieder schloß das Fenster.
Seit zwei Minuten goß es wie aus
Eimern, und die dicken Tropfen spritzten vom Fensterbrett in das trauliche Heim.
Die beiden Ganoven schlurften auf den
Hof.
Der Regen störte sie nicht.
Dem Jüngeren tat eine Abkühlung gut.
Bei Hubert trug die Dusche zur Belebung
bei.
Natürlich hatte er die Flasche
mitgenommen.
Als sie zwischen den Betonwänden der Einfahrt
standen, wo’s zum Teil überdacht war, tranken beide.
Frieder blickte auf die Kirchgasse.
„Totale Menschenleere.“
„Wir können warten“, meinte Hubert.
„Hoffentlich kommt wer vorbei.“
„Irgendwann kommt immer jemand vorbei.“
„Jedenfalls können wir’s gleich hier
machen. Kein Aas sieht’s.“
Sie tranken Schnaps, wurden blöder und
damit zwangsläufig mutiger.
Die Vorsicht, die offenbar sehr
anfällig ist gegen Alkohol, verabschiedete sich.
Gegenüber der Einfahrt verlief eine
hohe Mauer, hinter der man einen ehemaligen Pfarrhaus-Garten zum Parkplatz für
die Besucher des Herrn Pfarrers umfunktioniert hatte.
Zufahrt war auf der anderen Seite — von
der einbahnigen Schröpfs-Gasse aus.
Das Pfarrhaus erhob sich zwar über die
Mauer, blickte aber nur mit der Schmalseite her und mit zwei Fenstern im
Obergeschoß.
Sie gehörten zu Räumen, die nicht oder
nur wenig genutzt wurden.
Das hatten die Älche längst
geschnackelt. Denn an den Fenstern zeigte sich nie ein Gesicht.
„Achtung!“ zischelte Frieder nach einem
Blick um die Ecke. „Da kommt einer.“
Bernd Kolbe näherte sich.
Er ging auf der für ihn falschen, für
die Älche hingegen richtigen Seite — nämlich dicht an den Häusern, deren Zeile
hier durch die Hofeinfahrt unterbrochen wurde.
Hubert, in dem noch der Frust über die
Niederlage wühlte, zog einen Lederriemen aus der Tasche und umwickelte die
rechte Hand.
Die üblen Brüder preßten sich an die
Mauer.
Jetzt schlurfte Kolbe an der Einfahrt
vorbei.
Mit einem Sprung war Hubert hinter ihm.
Für eine halbe Sekunde vermeinte Kolbe,
ihm sei der Prennstettener Kirchturm ins Genick gefallen.
Dann sank der mißratene Neffe zu Boden,
und der totale Stromausfall im Gehirn erstreckte sich auf sämtliche Gliedmaßen.
„Los, faß an!“ befahl Hubert.
Sie packten Kolbe bei den Füßen und
zerrten ihn in die Einfahrt.
„Sieh dir das an!“ meinte Frieder und
klappte Kolbes Brieftasche auf. „Das sind über 1000 Mark.“
„Paß auf, daß sie nicht naß werden.“
Hubert nahm seinem Opfer die Uhr ab —
einen Chronometer mittlerer Güte und Preislage.
Dann pfiff der ältere Älch durch die
Zähne.
„Schöner Brillantring!“
Er steckte an Kolbes linkem Ringfinger
und funkelte, obwohl zur Zeit keine Sonne schien.
Hubert zog den Ring ab, bemerkte die
Gravur, steckte sich das Schmuckstück an und meinte: „Danke, Hannchen! Mir paßt
er auch.“
Sie spähten auf die Kirchgasse.
Die Luft schien rein.
Sie schleiften Kolbe um die Ecke der
Einfahrt bis ans Ende der Mauer.
Dort ließen sie ihn liegen.
17. Warnung an alle
Karl hatte es geschafft.
Die Falle mit der roten
Verpuffungs-Farbe war aufgestellt.
Das Paket lag unter der Steinplatte.
Dort war der Boden trocken, war offenbar auch während des gestrigen Unwetters
trocken geblieben.
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