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Im Schatten des Dämons

Im Schatten des Dämons

Titel: Im Schatten des Dämons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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haben wir dort sowieso einen Termin:
Oma Marie, vierter Stock, die Sport-Abteilung. Und vorher werden wir uns mit
Susanne Bonzemann unterhalten.“

26. Am Geländer vor der Tiefe
     
    Das Kaufhaus Hülle-Fülle steht mitten
in der Fußgängerzone der Innenstadt und zieht wochentags Tausende von Besuchern
an. Acht Stockwerke mißt es in der Höhe.
    Um den Kunden Geld abzuknöpfen, wurde
nicht nur jeder Quadratmeter Verkaufsfläche auf attraktive Weise genutzt,
darüber hinaus mußten die Architekten das Flachdach so anlegen, daß neben dem
Dach-Restaurant auch ein — nicht überdachtes, sondern schönwetter-abhängiges —
Dachterrassen-Café entstand.
    Es bietet 100 Sitzplätze an lustigen
Boulevardcafé-Tischchen und einen phantastischen Blick über die Dächer der
Innenstadt. Tiefflieger stören kaum. Deren Flugschneisen verlaufen über den
weniger belebten Stadtteilen. Die Tauben betteln zwar und kacken auf die
Tische, sind aber bei den meisten Gästen gern gesehen.
    Für Nicht-Schwindelfreie sind die
Außenplätze auf der Hofseite gefährlich. Hinter einem hüfthohen und stabilen
Geländer geht’s dort nämlich ohne Zwischenstation in die achtstöckige Tiefe.
    Als im Mai vor zwei Jahren ein
Betrunkener runterstürzte — in den gepflasterten Lieferanten-Hof — , wurde das
Geländer um 15 Zentimeter erhöht. Die Selbstmörderin, die im vorigen Sommer
hinuntersprang, konnte dadurch freilich nicht zurückgehalten werden. Trotz
dieser Vorfälle ist das Café sehr beliebt. Die Konditorwaren schmecken
ausgezeichnet — besonders die Engadiner Moosbeeren-Sahnli-Torte und der
Hülle-Fülle-Spezial — ein 5-Sorten-Eisbecher.
    Die TKKG-Bande saß an einem Tisch beim
Geländer.
    Jetzt, um 16.11 Uhr, war kein Stuhl
mehr frei.
    Bunte Sonnenschirme spendeten Schatten.
    Der einzige Tisch ohne Schirm war der,
an dem die vier Freunde saßen. Deshalb hatte dort vorher niemand Platz
genommen. Der Sonnenbeschuß bewirkte zwar, daß der Tee in den Gläsern und
Klößchens Kakao in der Kanne nicht abkühlten; ansonsten wurde die Bräunung
gefördert. Man mußte nur ein bißchen blinzeln.
    „Zwölf nach ist es jetzt“, meinte Karl.
„Wer weiß, ob sie wirklich herkommt. Vielleicht...“
    „Da ist sie“, unterbrach Tim.
    In diesem Moment trat Susanne Bonzemann
durch die Restaurant-Tür ins Freie.
    Sie blieb stehen.
    Wen trifft sie hier? dachte Tim. Egal!
Sobald sie ihre Verabredung begrüßt hat, werden wir anrücken und die Prunksche
Hypnose besülzen. Dann... Heh, was hat sie denn, die Frau?
    Susanne Bonzemanns Gesicht war
erstarrt. Sie blickte weder rechts noch links. Mit mechanischen Bewegungen ging
sie stur weiter. Zielstrebig bahnte sie sich ihren Weg durch die Tischreihen.
Sie kam heran, hölzern, eckig, preßte die Handtasche mit dem Arm an die Rippen.
    Für einen Augenblick schien es, sie
steuere auf die TKKG-Gruppe zu. Dann bog die Frau ab und hielt zu aufs
Geländer.
    Tim stand auf. Um Himmels willen!
dachte er. Das läuft mir ja wie Tiefgefrorenes übers Rückgrat.
    Auch Karl und Gaby schnellten hoch.
    Klößchen war noch beim Staunen.
    Susanne Bonzemann stand jetzt am
Geländer. Eine Hand lag darauf. Die Hüften berührten die Eisenstäbe.
    Wer die Frau von hinten sah, mochte
denken, sie genieße die Aussicht.
    Aber Tim befürchtete was anderes und
schob sich — gefolgt von Gaby und Karl — bis auf zwei Meter heran.
    „Feuer!“
    Susanne schrie nicht, rief nicht,
senkte eher die Tonstärke. Es klang wie ein Selbstgespräch. Nur Tim und seine
Freunde hörten die Frau. Was sie sagte, wurde übertönt vom Geschwätz und
Gelächter an den nächsten Tischen.
    „Feuer! Feuer! Es brennt!“ Susanne
flüsterte atemlos. „Es brennt hinter mir. Kein Ausweg! Diese Flammen! Alles
abgeschnitten. Nur hier — kein Feuer...“
    Sie ließ die Handtasche fallen, stützte
beide Hände auf den Handlauf des Geländers und schwang ein Bein — das linke —
hinüber.
    Tim umschlang sie von hinten, in Höhe
der Taille.
    Karl und Gaby standen sofort hinter ihm
und machten sich nudelbreit, um abzuschirmen gegen Blicke.
    Tim zog die Frau zurück, scheinbar
spielerisch, merkte aber, wie sie Widerstand leistete und sich mit den Händen
festklammerte.
    „Frau Bonzemann!“ zischelte er ihr ins
Ohr. „Aufwachen! Aufwachen! Die Hypnose ist vorbei. Aufwachen! Hier gibt es
kein Feuer. Nichts brennt! Aufwachen!“
    Er spürte, wie sie schlaff wurde in
seinem Arm. Ein Zittern durchlief die Gestalt.
    Ihr Kopf wandte sich herum.

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