Im Schatten des Dämons
„Was...
was..
„Ich bin’s, Frau Bonzemann, der Tim.
Meine Freunde sind auch da. Hier ist Gaby. Sie... sind ein bißchen verwirrt.
Kommen Sie, wir gehen jetzt raus. Und sprechen über alles. Kommen Sie!“
Sie ließ sich führen. Ihr Gesicht war
totenbleich.
Karl hatte die Handtasche aufgehoben.
An den nächsten Tischen war der Vorfall
nicht verborgen geblieben, Gespräche verstummten. Einige Leute glotzten
neugierig, andere betreten.
Zu Klößchen sagte Gaby: „Bezahl für uns
mit! Wir warten am Lift.“
*
Kommissar Glockner holte sie ab,
begleitet vom Polizeiarzt. Der kümmerte sich um die völlig verstörte Frau.
„Ihr habt ihr das Leben gerettet“,
sagte Gabys Vater anerkennend. „Das also hat Prunk mit seiner Katastrophe
gemeint. Sie stand unmittelbar bevor. Aber er schwieg, dieser Verbrecher. Wir
werden ihn verhören, bis er schlappmacht. Ich ruhe nicht, bevor ein umfassendes
Geständnis vorliegt.“
„Wir bleiben noch hier“, sagte Gaby,
„um Karls Nenn-Oma, der Annemarie Lippstedt, beizustehen. Sie wird nämlich von
einem Unbekannten unter Druck gesetzt. Der Typ will 1800 Mark, andernfalls
müsse Oma Marie mit ihrer Ermordung rechnen. Es wäre hilfreich, Papi, wenn du
uns einen deiner Leute schickst. Um 17 Uhr. Ja? Vierte Etage, Sportabteilung.“
Der Kommissar atmete ein paarmal tief
durch, fragte dann nach Einzelheiten und wurde umfassend informiert.
Tim blickte hinüber zum Streifenwagen.
Der Polizeiarzt hatte sich zu Susanne Bonzemann gesetzt und sprach beruhigend
auf sie ein.
„Ich schicke euch Jansen und Wege
lein“, sagte Glockner. „Und ihr — das bitte ich mir aus — überlaßt denen das
Handeln. Ein Täter, der mit Mord droht, ist möglicherweise bewaffnet.“
*
17 Uhr. Annemarie Lippstedt, die ehemalige
Krankenschwester — , die Karl gesund gepflegt hatte — , schob sich durch die
Menge der Kaufhaus-Besucher im vierten Obergeschoß.
In der linken Hand hielt sie das dicke,
braune Kuvert aus festem Papier.
Daß der Erpresser es sofort aufriß —
hier unter Menschen — und das Geld nachzählte, konnte man ausschließen. Nein,
er würde abhauen damit in sein Rattenloch, würde dort das Geld zählen, sich
aber stattdessen die Finger verbrennen.
Denn der Umschlag enthielt die — von
Stiefsohn Ladlo gebastelte — Briefbombe.
Dort war die Sportabteilung.
Oma Marie ging zu der Ecke, wo Hanteln
und Fitneßgeräte ausgestellt waren: Heimräder, Drücker-Bänke, Rudermaschinen
und ein neues Spezial-Instrument, an dem man die Bewegungsabläufe für
verschiedene Sportarten üben konnte: für Großwildjagd, Drachenfliegen,
Tischtennis, Bobfahren, Cricket, Amateurtanzen und Freistilringen.
In diesem Moment ging Karl dicht an
seiner geliebten Nenn-Oma vorbei.
„Polizei“, wisperte er. „Nicht die
Briefbombe benutzen!“
Er verschwand hinter einem
kopfstehenden Schlauchboot.
Oje! dachte Oma Marie. Ich habe doch
nur das eine Kuvert. Da muß ich...
Es war schon zu spät.
Sie spürte eine Bewegung am Rücken.
„Bitte, eine Spende für die
Rattenplage!“ raunte die Stimme.
Ohne sich umzudrehen, hielt sie das
Kuvert hinter sich.
Es wurde ihr aus den Fingern genommen.
Im selben Moment brach der Tumult aus.
„So, da haben wir dich!“ bellte eine
harte Stimme. „Keine Bewegung, du Lump!“
Annemarie wandte sich um. Die
Kripo-Beamten waren zu zweit.
Jansen hatte den Verbrecher gepackt.
Wegelein nahm ihm das Briefkuvert ab und holte Handschellen hervor.
Alle wurden von der TKKG-Bande umringt.
Annemarie tauschte Blicke mit den vier
Jugendlichen und zuckte die Achseln.
Schiefgegangen! hieß das. Jetzt ist die
Briefbombe in ganz falschen Händen.
Der Täter war jung, hatte einen schmalen
Schädel und blauschwarzes, öliges Haar. Unablässig zuckten die Mundwinkel.
„Sie hätten uns — uns, die Polizei! —
verständigen müssen, Frau Lippstedt“, sagte Jansen vorwurfsvoll. „Das hätte
unsere Arbeit erleichtert. Naja, diesmal war die TKKG-Bande ungewöhnlich
kooperativ (bereit zur Zusammenarbeit ).“ Er wandte sich an den
Mundwinkelzucker: „Wie heißt du?“
„Ich... äh... also, ja, Manfred
Tiggel.“
„Noch einer“, lachte Tim, „der auf der
Prunk-Liste steht. Ich wette, die 1800 Mark wären später beim Dämon gelandet.“
Damit konnte Annemarie nichts anfangen,
hoffte aber, man würde ihr den Zusammenhang später erklären.
„Kann ich mein Geldkuvert wiederhaben?“
fragte sie.
„Das brauchen wir als
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