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Im Schatten des Drachen

Im Schatten des Drachen

Titel: Im Schatten des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Leuning
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bleiben würde. Auch ich erhob mich, doch ich folgte ihm nicht, änderte nur meine Position, entzog mich seinem Blickfeld und seinem verschenkten Leben. Er tat mir leid, doch er wartete vergebens. Seine Maskerade war nicht die meine. Jedenfalls nicht diese Rolle.
    Im nächsten Moment spürte ich eine kühle Hand auf meiner Schulter, hörte eine weiche Stimme dicht hinter mir.
    „Schön, dass du da bist.“
    Ich drehte mich nicht um. Ich fragte mich auch nicht, ob er mich vorhin hatte hereinkommen sehen, mich beobachtet hatte, wie ich zu diesem Platz gehinkt war und mich umständlich auf den Barhocker geschoben hatte. Die Scham darüber und die Angst vor seiner Reaktion saßen zu tief. Paul sagte nichts weiter, und allein das Schweigen ließ die Vorstellung von dem Entsetzen in seinen Augen wie einen Dämon in mir aufsteigen. Ich bestellte ein Guinness. Seine Hand ruhte noch immer auf meiner Schulter, drückte kurz zu.
    „Ich muss noch stimmen, dann geht es gleich los.“ Damit ließ er mich allein.
    Verstohlen schaute ich ihm nach, nahm seinen leicht federnden Gang war, weich und beinahe schwebend wie sein Geigenbogen, wenn er ihn über die Saiten strich. Ich stürzte mein Bier hinunter, um den Schmerz in meiner Brust zu ertränken. Im Spiegel hinter der Bar konnte ich sehen, dass der künftige Bräutigam genau dasselbe tat.
    Die Musik war wieder wunderbar, der Flötist stieg hin und wieder auf ein Banjo um, während der Drummer eine wahre Liebhabersammlung an Percussioninstrumenten zum Einsatz brachte. Wenn der Teufel in mir nicht pausenlos etwas anderes gewispert hätte, hätte ich glauben wollen, dass Paul jeden Ton nur für mich spielte, und als er an das Mikro trat, um zu singen, drohten mir die Schauer beinahe die Haut vom Rücken zu reißen. Sein Spiel streichelte meine Seele, sein volltönender und zugleich aufreizender Tenor trug meine Gedanken fort an Orte, die ich mit ihm nie besucht hatte; der Anblick seiner feingliedrigen Finger und die kühne Vorstellung, dass sie statt der Geige meinen Körper liebkosten, ließen mich den pochenden Schmerz in meinem Bein für zwei wunderbare Stunden vergessen.
       
     
    Nach dem Auftritt kam er mit seinen Freunden zu mir herüber.
    „Matty, ich will dir die zwei wunderbarsten Musiker in ganz Irland vorstellen, die zufällig auch meine besten Freunde sind: das ist Peter, die beste Altflöte, die ich kenne ...“
    Ich schüttelte dem jungen Mann mit den Hosenträgern, die bei seiner wohlproportionierten Gestalt eher schmückendes Beiwerk denn Notwendigkeit waren, die Hand.
    „... und das ist Tom, eigentlich Thomas, aber Tom geht schneller, weil Tom immer schnell ist, mit seinem Schlegel.“
    Paul gluckste übermütig, wogegen Tom ihm mit dem Handrücken spielerisch einen Schlag auf die Brust versetzte.
    „Hey! Pass auf, was du sagst, Kleiner!“
    Toms Stimme war angenehm tief, passend zu dem Bodhrán, den er spielte, und zu seiner sonstigen, etwas fülligen Erscheinung, wozu der dunkle Vollbart ein Übriges tat. Er lupfte seinen Hut, warf den dann auf den Tresen und schüttelte seine ebenfalls dunkle Mähne.
    „Also du bist der Grund!“
    „Der Grund wofür?“, fragte ich erstaunt zurück. Es irritierte mich maßlos, dass Paul sich hinter mich auf den nächsten Barhocker setzte, den er so dicht an meinen heranrückte, dass er seine Beine spreizen und mich zwischen seine Schenkel nehmen musste. Er saß sehr aufrecht hinter mir, und der Hauch seines warmen Atems fuhr sanft über meine Ohrmuschel. Ein eindeutigeres Signal konnte seine Nähe kaum geben. Irgendwie genoss ich das plötzlich.
    Tom grinste selbstgefällig. „Dafür, dass Paul heute so aufgeregt war wie ein junger Gockel, dem man den Hals nur halb umgedreht hat. Er hat den ganzen Tag nur Unsinn getrieben und uns vorhin mit seinen verrückten Improvisationen fast aus dem Konzept gebracht.“
    Tatsächlich hatte Paul zwischen den Liedern immer wieder einfach nur so verspielt vor sich hingefiedelt, während Tom und Peter abwechselnd die Moderation übernommen, gestimmt oder an der Technik korrigiert hatten, aber außer mir hatte wohl keiner im Publikum seine Überdrehtheit bemerkt.
    „Und er lässt sich eigentlich nicht so leicht aus der Reserve locken. Sein Gesang ist in unserem Programm äußerst selten, besonders auf gälisch.“
    Peter zog sich einen weiteren Barhocker heran und ließ sich mit einer Pobacke darauf nieder, hielt sein Glas in Höhe seines Schoßes mit beiden Händen lässig

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