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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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sie so blass wie der Morgenmantel, auch wenn es nicht roséfarben, sondern hellblau war. Noch bestürzender war für Victoria, dass sie ein eng geschnürtes Mieder trug, bei dessen Anblick es ihr gleich selbst schwerfiel, frei zu atmen.
    Valentina dagegen beäugte sie durchaus anerkennend. »Für welchen Tag ist sie denn nun angesetzt, eure Hochzeit?«, fragte sie.
    Aurelia seufzte. »Schon in einer Woche, ich weiß gar nicht, wie wir das schaffen sollen. Es gibt noch so viel vorzubereiten. Stellt euch vor, es werden dreihundert Gäste erwartet. Am Tag vor der kirchlichen Trauung ist ein Empfang geplant, und die Hochzeitsfeierlichkeiten selbst werden ganze drei Tage dauern.«
    Drei Tage, an denen Aurelia wahrscheinlich fortwährend ein Mieder tragen musste, dachte Victoria erschaudernd.
    Sie verkniff sich jedoch eine entsprechende Bemerkung und fragte stattdessen: »Und wann kommen deine Eltern in Santiago an?«
    Auch wenn ihr davor graute, bei dieser Hochzeit dabei zu sein – sie freute sich sehr auf den Anlass, Rita und Balthasar zu treffen. Sie hatte sie zwar nur wenige Male gesehen, aber es waren enge Vertraute ihrer Eltern, mit denen sie über Emilia und Arthur reden konnte.
    Doch Aurelia senkte ihren Blick und schüttelte den Kopf. »Sie kommen leider nicht«, brachte sie zögernd hervor.
    Victoria blickte sie erstaunt an. Eine Ahnung stieg in ihr hoch – auch wenn sie dieser noch nicht nachgeben wollte. »Du bist ihre einzige Tochter!«, wandte sie ein.
    Aurelia hielt ihren Blick weiterhin gesenkt. »Die Strecke ist doch sehr weit.«
    »Na und? Auch meine Eltern sind oft nach Patagonien gereist und wieder zurück!«
    Aurelia schluckte, und Victoria entging nicht, dass ihr Gesicht glühend rot anlief. »Das darf doch nicht wahr sein!«, schrie sie. Beschwichtigend legte ihr Valentina die Hand auf die Schulter, aber Victoria schüttelte sie ab. »Sie kommen nicht, weil du sie gar nicht eingeladen hast, nicht wahr? Sie wissen nicht, dass du nun auch kirchlich heiratest! Du wirst es ihnen erst hinterher schreiben.«
    Ihre Stimme schwoll an – und obwohl Aurelia flehentlich den Blick hob, brachte sie keinen Einwand hervor.
    »Nicht so laut!«, warf Valentina begütigend ein. »Wir wollen uns alle ein wenig beruhigen.«
    Pepe aß nervös einen Keks nach dem anderen und kam kaum mit dem Schlucken nach.
    Victoria ließ sich jedoch nicht besänftigen, sondern sprang auf. »Ich fasse es nicht! Ich fasse es einfach nicht!«
    Aurelia rieb ihre Hände aneinander und wagte schließlich doch, den Kopf zu heben. »Es ist meine Entscheidung«, erklärte sie trotzig. »Und ich weiß, dass meine Eltern es verstehen werden.«
    »Was? Dass du sie verleugnest? Dass du dich für sie schämst? So ist es doch! Du willst nicht, dass die Hochzeitsgäste erfahren, dass du die Tochter patagonischer Schafzüchter bist.«
    Auch Aurelia war nun aufgesprungen. »Du verstehst das nicht!«
    »Natürlich verstehe ich es! Nicht nur ihre Armut ist dir peinlich! Du befürchtest auch, dass man deiner Mutter auf den ersten Blick ansehen könnte, dass sie von einem Mapuche abstammt.«
    Aurelia blickte sich hektisch um. Pure, nackte Angst stand in ihrem Blick. »Nicht so laut! Um Himmels willen!«
    »Oh, es darf niemand hören! Warum eigentlich nicht? Warum schämst du dich dafür? Sämtliche Chilenen müssten sich schämen für die Art und Weise, wie sie den Mapuche ihr Land gestohlen, sie fast ausgerottet und die wenigen Überlebenden eingesperrt haben. Und deine Eltern verdienen ihr Brot mit ehrlicher Arbeit, nicht mit Aktienspekulation und Ausbeutung wie dein werter Schwiegervater. Vor allem aber lieben sie dich und wollen dein Bestes. Sie zwängen dich nicht in ein Mieder!«
    Aurelia schüttelte den Kopf: »Ich tue das alles doch nicht für mich, sondern für Tiago. Natürlich schäme ich mich meiner Eltern nicht. Aber wenn die Leute sie sehen … sie könnten reden … und Tiago hat es schwer genug …«
    »Du glaubst, du machst das Ganze besser, wenn du es für … ihn machst?«, rief Victoria ungläubig.
    Auch Valentina hatte sich erhoben. »Mädchen, nun hört doch endlich auf, euch zu streiten.«
    Pepe kaute hektisch.
    »Wie?«, rief Victoria zornig. »Ich soll mir das alles anhören und auch noch gutheißen?«
    Aurelia wich erst beschämt zurück, ballte dann aber doch entschlossen die Hände und funkelte sie an. »Du hast keine Ahnung«, brach es aus ihr heraus. »Was willst du überhaupt! Balthasar ist nicht mal mein richtiger

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