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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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»Doña Alicia wird gleich hier sein, gemeinsam mit der Schneiderin. Sie werden so viele neue Kleider bekommen, Sie müssen sich unendlich darüber freuen, nicht wahr, Niña?«
    Ihr Gesicht strahlte, als sie Aurelia verschwörerisch zuzwinkerte. Diese konnte nur nicken.
    »Ich bin so glücklich, dass Tiago eine derart schöne Frau gefunden hat!«, fuhr Saqui fort.
    Aurelia lächelte und war gerührt, dass wenigstens einer in diesem Haus die Verbindung nicht nur widerwillig akzeptierte, sondern darüber begeistert war, doch bei Saquis nächsten Worten gefror ihr das Lächeln: »Ich bin wie eine zweite Mutter für Tiago«, erklärte sie mit kindlichem Stolz, »und deswegen ist es eine ganz besondere Freude, dass eine Frau meines Volkes seine Ehegattin wird.«
    Aurelia stockte der Atem. Entsetzt fuhr sie auf, und das Bett, auf dem sie saß, schien nicht mehr weich, sondern hart wie Marmor. »Was redest du denn da?«
    Abermals zwinkerte Saqui ihr vertraulich zu. »Oh, ich weiß – ich selber bin klein, rund und dunkel – Sie hingegen sind nur klein, aber zart. Sie haben eine helle Haut und eine schmale Nase. Aber ich sehe es an Ihrer Seele … Ich sehe die Seele einer Mapuche.«
    Saqui hatte sich vorgebeugt, ihre Hände ergriffen und drückte sie fest, und kurz fühlte Aurelia sich trotz des Schreckens geborgen. Ja, da war ein Mensch, der nicht nur ihre Liebe zu Tiago guthieß, sondern der sich herzlich um sie kümmerte, der sich nicht steif wie William und Alicia gebärdete, sondern seine Gefühle zeigte. Aber dennoch …
    Alicia und William durften nie erfahren, dass sie von einer Mapuche abstammte! Für Tiago war es nicht wichtig gewesen, aber selbst er, das ahnte sie, würde das Thema nie wieder anschneiden, weil es gar zu peinlich war!
    Abrupt entriss Aurelia ihr die Hände. »Das ist nicht wahr!«, zischte sie.
    Saquis Augen weiteten sich erstaunt.
    Aurelia hatte sich bis jetzt eingeschüchtert und wie gelähmt gefühlt, nun plötzlich erwachten Kräfte in ihr, und jene entluden sich, indem sie Saqui ungestüm an den Schultern ergriff und sie schüttelte. »Wag es nicht, so etwas noch einmal zu sagen! In meinen Adern fließt kein Mapuche-Blut! Beleidige mich nicht …«
    »Es ist keine Beleidigung!«
    »Noch schlimmer, es ist eine dreckige Lüge! Und wenn du sie jemals wieder aussprichst, werde ich alles dafür tun, dass du des Hauses verwiesen wirst, verstehst du?«
    Sie sah, wie sich das Gefühl tiefer, schmerzhafter Kränkung in Saquis entgeistertem Gesicht ausbreitete, und sofort packte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie die andere so schäbig behandelte. Aber noch größer als dieses war ihre Angst.
    Saqui tat etwas, was sie noch nie getan hatte. Sie kniff die Lippen zusammen, machte ein ausdrucksloses Gesicht und … schwieg. Ohne ein weiteres Wort wollte sie das Zimmer verlassen, und als sie ihr den Rücken zuwandte, war Aurelia zutiefst beschämt – nicht nur wegen Saqui, sondern auch weil sie an ihre Mutter denken musste, die sie in diesem Augenblick ebenso verraten hatte wie Tiagos Nana.
    »Saqui, ich will doch nur …«
    Sie kam nicht weiter. Saqui hatte kaum die Tür erreicht, als es dort klopfte und Alicia eintrat, in Begleitung von mehreren Dienstmädchen und einer grau gekleideten Frau, die Aurelias Körper von oben bis unten musterte.
    Die Dienstmädchen hatten ihre Hände voller Kleidungsstücke und Accessoires: Schuhe und Stiefeletten mit geschwungenem Absatz, Fächer aus Straußenfedern, lange Spitzen- oder Glacéhandschuhe und flache Perlenhandtaschen.
    Aurelia erhob sich hastig vom Bett. Wie die Schneiderin musterte auch Alicia mit harten Augen ihre Figur.
    »Künftig wirst du ein Korsett tragen«, verkündete sie. »Nur die einfachen Frauen verzichten darauf. Wir Damen der Oberschicht tragen Sans-Ventre oder – wie die Engländer zu sagen pflegen – Hourglass.«
    Aurelia war kurz zu verwirrt, aber dann erinnerte sie sich, wie Victoria diesen Begriff einmal hatte fallenlassen und sich darüber lustig gemacht hatte.
    Sie nickte stumm, während die Schneiderin erklärte, was Aurelia gut stehen und was sie ihr als Erstes schneidern würde, ein fliederfarbenes Musselinkleid mit einem kleinen purpurfarbenen Bolero, breitem Schulterkragen, langen, schmalen Ärmeln …
    Aurelia hörte nicht länger zu. Ihr Blick suchte Saqui, die an der Tür stehen geblieben war. Immer noch waren deren Lippen zusammengekniffen, und Aurelia konnte förmlich hören, was sie dachte. Um Tiagos willen

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